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Am Ostersonntag rissen Bombenanschläge auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka mindestens 250 Menschen in den Tod, rund 500 wurden verletzt. Gleichzeitig haben die Anschläge, die auf das Konto einer islamistischen Splittergruppe gehen, eine Welle der Solidarität ausgelöst.

 

Die katholische Kirche hat haupt- und ehrenamtliche Helfer losgeschickt, um den traumatisierten Menschen zu helfen. Einer von ihnen ist Prasad Harshan aus dem Bistum Colombo.

Mit seinem „Faith Animation Team“ besucht er Überlebende und Hinterbliebene, koordiniert Hilfen und leistet geistlichen Beistand. Bei einem Sri-Lanka-Besuch sprach Stephan Baier (Zeitung „Die Tagespost“) mit dem Priester.

Gedenkstätte für die Opfer der Anschläge in Negombo.
STEPHAN BAIER: Die Terroranschläge haben die Menschen nicht nur physisch und psychisch, sondern auch in ihrem Glauben verwundet. Wie steht ihnen die Kirche bei?
PRASAD HARSHAN: 
Unser Erzbischof Malcolm Kardinal Ranjith wollte Missionare auf der Straße, um den Menschen zuzuhören und ihnen beizustehen. Damit haben wir schon vor drei Jahren begonnen. Das wurde jetzt nach dieser Tragödie zum Segen.

 

Wir sind zurzeit fünf Priester, die mit den Betroffenen der Terroranschläge arbeiten. Vor allem sind wir in Negombo tätig, wo 115 Menschen einer einzigen Pfarrei ermordet und mehr als 280 verletzt wurden. c In 30 Jahren Bürgerkrieg hatten wir nie solche Bombenattacken in Kirchen.

- Prasad Harshan, Priester aus Sri Lanka
Bringt das Glaubenszweifel und Distanz zur Kirche?
Zunächst waren die Menschen geschockt und fragten sich: Wie konnte Gott das zulassen? Wir Priester beschlossen, mit den Menschen auszuharren, auch wenn wir keine Antworten geben konnten. Wir wollten ihnen zeigen, dass Gott bei ihnen ist und bleibt.

 

Nach dem Schock kam die Wut. Insbesondere als die Menschen erfuhren, dass die Regierung vor den Anschlägen warnende Informationen erhalten hatte. Da spielten die Appelle von Kardinal Ranjith eine große Rolle. Er rief die Menschen auf, sich nicht von Emotionen, sondern vom Glauben leiten zu lassen.

Prasad Harshan, Priester aus Sri Lanka. Er kümmert sich um die Hinterbliebenen der Opfer der Anschläge vom Ostersonntag 2019 auf Sri Lanka.
Viele Katholiken auf Sri Lanka sagten mir, sie seien nach den Terroranschlägen stärker und gläubiger als zuvor.
Über Nacht war das ganze Land getauft. Es gibt ja die Taufe mit Wasser und jene mit Blut. Plötzlich wurde unserem ganzen Land die Anwesenheit der Katholiken und die besondere Art ihres Glaubens bewusst.

 

Früher sahen sich etwa 4000 Menschen die Videobotschaften des Kardinals an, jetzt sind es hunderttausende. Sie wollen hören, was er sagt. Wir hatten ein wahres Osterfest. Aber es begann mit den zerfetzten Leibern, mit dem Blut der Märtyrer.

„Terroristen wollen die ganze Welt involvieren“

Die islamistischen Attentäter haben bewusst christliche Kirchen attackiert. Dabei sind rund 70 Prozent der Einwohner Sri Lankas Buddhisten …
Es hat wohl damit zu tun, dass die katholische Kirche zwar hier im Land eine Minderheit darstellt, aber die größte religiöse Gemeinschaft in der Welt ist. Die Terroristen wollen die ganze Welt involvieren.

Albert Malcolm Kardinal Ranjith, Erzbischof von Colombo, tröstet einen Mann, der einen Angehörigen bei den Anschlägen verloren hat (Foto: Roshan Pradeep & T Sunil).
Wie haben die Attentate die Beziehung zwischen Buddhisten und Katholiken beeinflusst?
Die Buddhisten begannen untereinander darüber zu sprechen, wie bewundernswert die Katholiken seien: Warum üben sie keine Rache? Die besondere Struktur der katholischen Kirche kam uns da sehr zugute.

 

Der Kardinal hat dazu aufgerufen, keine Gewalt zu üben, die Priester haben das aufgegriffen und die Gläubigen ebenso. Jetzt bewundern auch buddhistische Mönche uns Katholiken und begegnen uns mit viel Sympathie und Respekt.

„Es muss ein Reinigungsprozess in Gang kommen“

Wie reagierten die Spitzen der islamischen Glaubensgemeinschaft in Sri Lanka auf den Terror aus ihren Reihen?
Die muslimischen Autoritäten haben erkannt, dass es ihr Fehler war, zu den Aktivitäten terroristischer Gruppen in ihren Gemeinden zu schweigen. Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Attentäter vom Ostersonntag waren Muslime. Es muss ein Reinigungsprozess in Gang kommen. Als die Untersuchungen begannen, wurden Waffen in den Moscheen gefunden. Das war schockierend für uns.

Schutz durch das Militär unmittelbar nach den Anschlägen (Foto: Roshan Pradeep & T Sunil).
Wie wurde die internationale Solidarität mit den Opfern auf Sri Lanka spürbar?
Hilfsorganisationen wie KIRCHE IN NOT haben uns hier sehr viel geholfen. Wir sind im Land eine Minderheit, aber wir wissen, dass wir einer größeren Familie angehören. Menschen, die nie in Sri Lanka waren, beten und spenden für uns.

 

So wurde die katholische Kirche zu einem Segen für alle Menschen Sri Lankas. Indem die Menschen auf die katholische Kirche blicken, hat eine innere Umkehr begonnen. Sie beginnen zu verstehen, was es bedeutet, als Christ zu leben.

So können Sie helfen

„KIRCHE IN NOT war die erste Organisation, die nach dem Bombenanschlag vor Ort war, und wir haben zugesagt, zu helfen.“

 

Dies erklärt der Direktor des philippinischen Büros von KIRCHE IN NOT, Jonathan Luciano, anlässlich der Mitte Juli erfolgten Wiederöffnung der Kathedrale in Jolo auf der gleichnamigen Insel im Süden der Philippinen.

Besonders die Decke, das Dach und die Fenster wurden bei dem Anschlag beschädigt.
In der Kathedrale „Unsere Liebe Frau vom Berg Karmel“ auf Jolo waren am 27. Januar 2019 zwei Bomben explodiert: eine während der Sonntagsmesse, eine weitere wenig später auf dem Parkplatz vor der Kirche.

20 Menschen verloren ihr Leben, über 100 Personen wurden verletzt. Auch das Kirchengebäude wurde schwer beschädigt. Die islamistische Terrororganisation Abu Sajaf hatte sich zu dem Anschlag bekannt.

 

Sicherheitslage weiterhin angespannt

Ein halbes Jahr später wurde die schwer beschädigte Kathedrale wieder eingeweiht – auch wenn die Sicherheitslage nach wie vor sehr angespannt ist.

„Polizei und Militär hatten den ganzen Stadtbezirk abgeriegelt, in dem sich die Kathedrale befindet. Doch das Gotteshaus selbst war voll. Besonders bewegend war, die Familien der Getöteten und die Überlebenden der Explosionen dort zu sehen“, so Jonathan Luciano.

Reparierte Decke und Fenster in der Kathedrale von Jolo.
Die Feier leiteten der Apostolische Nuntius auf den Philippinen, Erzbischof Gabriele Caccia, sowie Orlando Kardinal Quevedo, emeritierter Erzbischof von Cotabato.

„Der Nuntius versicherte den Menschen, dass die christliche Gemeinschaft bei ihnen ist: Sie werden nicht vergessen oder vernachlässigt“, berichtete Luciano. „Das zeige sich durch die finanzielle Hilfe und die Solidarität im Gebet auf der ganzen Welt.“

 

Solidarität im weltweiten Gebet

KIRCHE IN NOT unterstützt neben anderen Organisationen den Wiederaufbau maßgeblich und trägt zur Finanzierung des Kirchendachs und der -decke bei. Doch es gehe nicht nur um den Aufbau der Gebäude, betonte Luciano.

„Wir waren zwei Wochen nach dem Anschlag vor Ort. Mit anderen Organisationen und den kirchlichen Mitarbeitern waren wir uns einig, wie wir auf die Krise reagieren sollten: zuerst die christliche Gemeinschaft und dann die eigentliche Kirche wiederaufbauen.“

Jonathan Luciano, der Direktor des philippinischen Büros von KIRCHE IN NOT, hat die Kathedrale von Jolo kurz nach dem Anschlag besucht.
Deshalb stehen auch Rehabilitierungsprogramme für Betroffene der Anschläge und deren Familien sowie interreligiöse Initiativen auf der Förderliste von KIRCHE IN NOT. Ein Beispiel ist die benachbarte Hauptinsel Marawi, wo es im Jahr 2017 zu schweren islamistischen Übergriffen kam.

 

Süden der Philippinen mehrheitlich muslimisch geprägt

Anders als der überwiegende Teil das Landes ist der Süden der Philippinen mehrheitlich muslimisch geprägt. Muslimische Milizen kämpfen seit Jahrzehnten für eine Autonomie. Diese wurde nach jahrzehntelangem Ringen weitgehend erreicht, indem die Regierung in Manila eine weitgehend autonome Region Bangsamoro ermöglichte.

Die in der Folge durchgeführte Volksabstimmung Ende Januar 2019 fand weitgehend Zustimmung – bis auf Jolo, das als Heimat der Terroreinheit Abu Sajaf gilt. Die Anschläge auf die Kathedrale wurden als Reaktion auf die Abstimmung gesehen.

- Jonathan Luciano, Direktor des philippinischen Büros von KIRCHE IN NOT
Dennoch stand die feierliche Wiedereröffnung ganz unter dem Zeichen der Versöhnung, berichtete Luciano. So habe der muslimische Gouverneur von Jolo am Ende der Messe ein Grußwort gesprochen und betont, dass nach der Wiedereröffnung der zerstörten Kirche auch der Dialog zwischen Christen und Muslimen wiederaufgenommen werden könne.

 

Zeichen der Versöhnung

Auch der Direktor des philippinischen Büros von KIRCHE IN NOT warnt davor, dass sich die Zahl radikaler Muslime weiter erhöhen könnte, wenn die Kirche den Dialog nicht weiterführe.

Er betont: „Wir müssen die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen stärken. Wir können harmonisch zusammenleben. Das ist eine wichtige Botschaft für unsere Wohltäter. Ich hoffe, dass die Ereignisse von Jolo sie bewegen, verfolgten Christen auf den Philippinen zu helfen.“

So können Sie helfen

KIRCHE IN NOT intensiviert seine ökumenische Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche für leidende Christen im Nahen Osten. Dies wurde beim Besuch einer Delegation des Moskauer Patriarchats in der internationalen Zentrale von KIRCHE IN NOT in Königstein im Taunus vereinbart.

 

So sollen weitere gemeinsame Projekte gestartet werden, zum Beispiel für Jugendliche aus Syrien und dem Irak – unabhängig von deren Konfession. Diese Projekte sollen „eine unmittelbare Frucht der Begegnung zwischen Papst und Patriarch“ sein, erklärten die Teilnehmer der ökumenischen Gesprächsrunde.

Gesprächsrunde mit Vertretern der russische-orthodoxen Kirche und KIRCHE IN NOT in Königstein im Taunus.
Bei ihrer ersten Begegnung im Februar 2016 auf Kuba hatten Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kirill die Zusammenarbeit beider Kirchen für notleidende Christen, besonders im Nahen Osten, in den Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Erklärung gestellt.

 

Seit mehr als 25 Jahren im Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche

KIRCHE IN NOT engagiert sich seit mehr als 25 Jahren für den Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche. Deshalb hatte unser Hilfswerk nach dem Treffen von Papst und Patriarch zusammen mit Vertretern aus Moskau ökumenische Initiativen für die Christen im Nahen Osten entwickelt.

Dies umfasste unter anderem die Dokumentation von zerstörten Kirchen und christlichen Privathäusern, um so die Grundlage für den Wiederaufbau zu schaffen. Auch machten beide Kirchen die Schicksale von entführten und getöteten Christen während des Syrienkriegs bekannt.

Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kirill im Jahr 2016 bei ihrem Treffen auf Kuba.
„Die katholische und die russisch-orthodoxe Kirche haben viele gemeinsame Anliegen“, betonte die Direktorin der Projektabteilung von KIRCHE IN NOT, Regina Lynch. „Das schmerzlichste Anliegen ist sicher die Sorge um die Christen im Nahen Osten und in anderen Ländern, in denen Christen verfolgt oder bedrängt sind.“

 

„Viele gemeinsame Anliegen“

Der Sekretär des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Stefan Igumnow, unterstrich, die neue Form der Zusammenarbeit werde möglich durch die „seit vielen Jahren bestehenden guten und fruchtbaren Beziehungen mit KIRCHE IN NOT“.

Das Hilfswerk habe die Arbeit des Moskauer Patriarchats in verschiedenen Stadien seiner Geschichte unterstützt. „Wir sind nicht nur Partner, sondern Freunde“, betonte Igumnow.

Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und KIRCHE IN NOT einigten sich auf eine stärkere Zusammenarbeit (von links): Peter Humeniuk (Russlandreferent von KIRCHE IN NOT), Ioann Kopeykin (Prorektor des Postgraduierten-Institutes der heiligen Cyrill und Methodius in Moskau), Jekaterina Mjasdrikowa (Direktorin des Hilfsfonds „Poznanie“ des Moskauer Patriarchates), Regina Lynch (Direktorin der Projektabteilung von KIRCHE IN NOT), Stefan Igumnow (Sekretär des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Stefan Igumnow), Pater Martin Barta (Geistlicher Assistent von KIRCHE IN NOT International).
Mit ihm war auch der Prorektor des Postgraduierten-Institutes der heiligen Cyrill und Method in Moskau, Ioann Kopeykin, sowie der Direktorin des Hilfsfonds „Poznanie“ des Moskauer Patriarchates, Jekaterina Mjasdrikowa, nach Königstein gereist. Der Fonds „Poznanie“ unterstützt syrische Kindern, die durch Explosionen schwer verletzt wurden.

 

Gemeinsame Projekte für notleidende Christen

Die Gesprächspartner waren sich einig, dass die ökumenische Zusammenarbeit nach der Begegnung der beiden Kirchenoberhäupter auf Kuba eine neue Phase erreicht habe. Nun nehme man erstmals gemeinsam Projekte für notleidende Christen in anderen Teilen der Welt in den Blick.

Laut Igumnow war es „ein Wunder, das Gott uns geschenkt hat, dass wir bereits zwei Monate nach dem Treffen unserer Kirchenoberhäupter ihrem Aufruf folgen und gemeinsam in Syrien tätig werden konnten“.

So können Sie helfen

Dank der Hilfe unserer Wohltäter, die 3.000 Euro gespendet haben, konnten im März 2019 fast 40 Diözesan- und Ordenspriester in der Diözese Bouar (Zentralafrikanische Republik) an einer Fortbildung teilnehmen. Gerade weil das Land unter Gewalt und anderen Herausforderungen leidet, ist es wichtig, die Priester zu stärken. Sie sind oft die einzigen, die den Menschen helfen können, die Hoffnung nicht zu verlieren.

 

Auf dem Programm standen wichtige Themen aus der Seelsorge, wie beispielsweise die Ehevorbereitung und der Umgang mit ungültig geschlossenen Ehen, die Vorbereitung auf die Sakramente, die Taufe von Erwachsenen und die Rolle von Katecheten in den abgelegenen kleinen Dörfern.

Priester während einer Vorlesung bei den Einkehrtagen in der Zentralafrikanischen Republik.
Die Priester reflektierten auch über ihre eigene Berufung und die Bedeutung des Priestertums. Außerdem konnten sie sich in den Themen Buchhaltung, Verwaltung oder Registratur fortbilden.

 

Begegnung, Austausch und Weiterbildung

Diese sind in einer Pfarrei oder Institution notwendig und verpflichtend, aber viele Priester sind nur unzureichend vorbereitet sind, wenn sie einen Posten übernehmen, der diese Kenntnisse erfordert.

Die Priester der Diözese haben von diesen Tagen des Austauschs und der Weiterbildung sehr profitiert, und sie danken allen Wohltätern, die dies ermöglicht haben.

Miroslaw Gucwa (links), Bischof von Bouar (Zentralafrikanische Republik).
Er war ein gebildeter Priester gewesen, der in Rom studiert hatte und selbst in der Priesterausbildung tätig gewesen war. Er wird beschrieben als vielseitig begabter und feiner Mensch mit einer tiefen Seele und einer großen Liebe zur Kirche und besonders zum Priestertum.

 

Priester auf dem Rückweg ermordet

Er schrieb Lieder und Gedichte, fand leicht Zugang zur der Jugend, der er das Evangelium nahebrachte, und war in Bouar für das katholische Radio verantwortlich gewesen. Im Tschad leitete er neben seinen vielen anderen Aufgaben ein Museum der Kultur der Volksgruppe der Mboum.

Gottesdienst in einem Dorf in der Zentralafrikanischen Republik (Foto: KIRCHE IN NOT/Aurelio Gazzera).
Im Nachruf der Kapuziner hieß es: „Die feige Hand des Mörders wusste, als er ihn in der Nacht des 19. März ermordete, nichts von der Schönheit und Eleganz von Bruder Toussaint, dieses Priesters, der reich war an den Feinheiten des Evangeliums und der Schönheit der Priesterweihe.“

 

Große Anteilnahme am Tod des Priesters

Wenige Tage nach dem Treffen der Priester in Bouar, bei dem Toussaint Zoumalde seinen Mitbrüdern noch inspirierende und tiefe Gedanken über das Priestertum mit auf den Weg gegeben hatte, trugen seine Mitbrüder unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der gesamten Kirche in der Diözese seinen Leichnam zu Grabe.

So können Sie helfen

Anfang Juli hatte Papst Franziskus die Metropoliten und hochrangige Geistliche der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche zu einem Treffen in den Vatikan eingeladen. Ziel sollte es sein, „über die komplexe und heikle Situation im Land“ nachzudenken.

 

Diese Begegnung war in dieser Form bislang einmalig und unterstreicht die Sorge des Papstes um das osteuropäische Land. Rund 4,5 Millionen Ukrainer gehören der griechisch-katholischen Kirche an, viele von ihnen leben im Ausland.

Tobias Lehner von KIRCHE IN NOT Deutschland hat mit Weihbischof Bohdan Dsjurach aus Kiew über das Treffen in Rom gesprochen. Dsjurach leitet die Kurie der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine.

Weihbischof Bohdan Dsjurach aus Kiew feierte 2015 auf dem Kongress von KIRCHE IN NOT Deutschland einen Gottesdienst.
KIRCHE IN NOT: Kam die Einladung zum Treffen überraschend und was bedeutet es für Sie, dass der Papst der Ukraine nun sozusagen „oberste Priorität“ einräumt?
WEIHBISCHOF BOHDAN DSJURACH:
 Die Einladung von Papst Franziskus entspricht seiner Haltung, den notleidenden Menschen den Vorrang zu geben.

 

In seiner Ansprache zu Beginn des Treffens rief uns der Heilige Vater auf, ein offenes Herz zu haben und allen Menschen nahezubleiben, die unterdrückt sind und „die Nacht der Traurigkeit“ durchleben. Was er lehrt, lebt der Papst auch. Seit Jahren erfahren wir in der Ukraine die Nähe und Unterstützung des Papstes.

Dennoch war diese Form der Begegnung etwas ganz Neues in den Beziehungen der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche zum Heiligen Stuhl. Insofern: Ja, es war eine Überraschung.

- Weihbischof Bohdan Dsjurach aus Kiew
Worüber wurde bei dem Treffen gesprochen? Gibt es konkrete Ergebnisse?
Zunächst haben wir die politische und wirtschaftliche Lage in der Ukraine dargestellt, besonders vor dem Hintergrund des anhaltenden Krieges im Osten des Landes und der damit verbundenen humanitären Katastrophe.

 

Wir haben uns bedankt für die Initiative „Der Papst für die Ukraine“ [eine Sonderkollekte in allen Kirchen Europas, zu der Papst Franziskus im April 2016 aufgerufen hatte und bei der fast 16 Millionen Euro zusammengekommen sind; Anm. d. Red.]. Wir haben auch über neue Initiativen für notleidende Menschen gesprochen.

Seelsorge und Evangelisation als Themenschwerpunkte

Viel Zeit und Aufmerksamkeit haben wir seelsorglichen Themen gewidmet. Neben Evangelisation und Katechese ging es auch um die Seelsorge für ukrainische Auswanderer in verschiedenen Ländern. Auch die Rolle der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche im ökumenischen Dialog haben wir erörtert.

Äußerst wichtig und wertvoll war es, dass wir direkt mit dem Papst und seinen engsten Mitarbeitern unsere Meinungen austauschen, unsere Freuden, Hoffnungen und Sorgen teilen konnten.

Logo der Ukraine-Konferenz im Vatikan.
Im Osten der Ukraine tobt seit fünf Jahren Krieg, die Krim wurde von Russland annektiert, die Errichtung einer eigenständigen orthodoxen Kirche in der Ukraine hat zu gravierenden Konflikten mit der russisch-orthodoxen Kirche geführt: Was kann die griechisch-katholische Kirche dazu beitragen, das zerrissene Land zu einen?
Bei allen Schwierigkeiten, die unser Volk und die Kirchen in der Ukraine derzeit durchleben, wollen wir weiterhin Botschafter der Hoffnung, der Wahrheit und der Liebe bleiben. Dazu hat uns auch der Papst aufgerufen. Viele Spannungen gehen auf den Krieg zurück, der nicht nur mit militärischen Mitteln geführt wird.

 

Kirche als Botschafter Hoffnung

Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, braucht unsere Land Konsolidierung, innere Kraft und geistliches Unterscheidungsvermögen. Das wollen wir stärken. Unser Gebet und unsere Wachsamkeit sind die wesentlichen Elemente unseres Dienstes für das ukrainische Volk.

Brennende Häuser in der Ostukraine nach Raketenbeschuss.
Innenpolitisch ist in der Ukraine alles offen. Der neue Präsident Wolodymyr Selenskyi hat kürzlich für Aufsehen gesorgt, als er in der Ostukraine Truppen abgezogen hat. Wie nimmt die ukrainische Bevölkerung diesen Schritt auf? Steigt die Hoffnung auf Frieden?
Alle Beobachter, sowohl in der Ukraine als auch im Ausland, können klar erkennen: Der Schlüssel zum Frieden in der Ukraine liegt nicht in Kiew, sondern in Moskau.

 

Einzelne Schritte können kurzfristig Entlastung bringen. Davon jedoch eine Lösung des Konflikts oder dauerhaften Frieden zu erwarten, wäre jedoch naiv. Dazu braucht es viel mehr Solidarität und Einigkeit der internationalen Gemeinschaft.

Josyf Kardinal Slipyj, früheres Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, und Pater Werenfried van Straaten, Gründer von KIRCHE IN NOT.
Vor 30 Jahren öffnete sich der Eiserne Vorhang und in der Folge endete auch die kommunistische Diktatur in der Ukraine. Die griechisch-katholische Kirche war in dieser Zeit blutig verfolgt. Seit der politischen Wende ist an vielen Orten das kirchliche Leben aufgeblüht.


Wenn Sie auf die nächsten 30 Jahre blicken: Was sind die größten Herausforderungen für die griechisch-katholische Kirche – und wie kann KIRCHE IN NOT dabei helfen?
Die Sorge um die Vertiefung des Glaubens, die Verkündigung unter den Menschen, die Christus bisher nicht begegnet sind, die Jugend- und Berufungspastoral werden unsere größten Aufgaben sein. Hinzu kommt die Bewältigung der tragischen Folgen von Krieg und Aggression, die hoffentlich mit der Hilfe Gottes eines Tages ein Ende haben werden.

- Weihbischof Bohdan Dsjurach aus Kiew
In den zurückliegenden Prüfungen haben wir uns nie verlassen gefühlt. KIRCHE IN NOT bleibt einer unserer wichtigsten Partner, die uns mit Gebet und finanzieller Hilfe immer wieder liebevoll begleiten.

 

Wir sind uns sicher, dass sich KIRCHE IN NOT als päpstliches Hilfswerk auch in Zukunft von den Worten des Papstes inspirieren lässt, der uns bei der Begegnung am 5. Juli gesagt hat: „Der leidende Bruder“ darf nicht vergessen werden.

So können Sie helfen

Das britische Außenministerium hat einen Bericht über Christenverfolgung veröffentlicht – die erste Studie dieser Art von Seiten einer nationalen Regierung. Das Dokument wurde von einer unabhängigen Kommission im Auftrag des britischen Außenministers Jeremy Hunt verfasst.

 

Dieser gehörten neben Regierungsmitarbeitern und Experten auch Nichtregierungsorganisationen an – unter ihnen auch Mitarbeiter des Büros von KIRCHE IN NOT Vereinigtes Königreich. Die Aufsicht über das Projekt führte der anglikanische Bischof von Truro in der südenglischen Grafschaft Cornwall, Philip Mountstephen.

In vielen Ländern weltweit werden Christen verfolgt und benachteiligt
KIRCHE IN NOT war am ersten Teil des 176-seitigen Dokuments beteiligt, der globale Entwicklungen bei der Christenverfolgung dokumentiert. Unser Hilfswerk lieferte Hintergrundinformationen zur Lage in Afrika, dem Nahen Osten und Südasien, das es aus seiner Projektarbeit in diesen Weltregionen gewinnen konnte.

 

In den weiteren Teilen geht der Bericht detailliert auf aktuelle Übergriffe gegen Christen ein, zum Beispiel im Irak, in Syrien, Nigeria, Sri Lanka und Pakistan und formuliert 22 Empfehlungen an das britische Außenministerium.

„Beinahe das Ausmaß eines Völkermords“

In einigen Weltregionen nehme die Gewalt gegen Christen „beinahe das Ausmaß eines Völkermords“ an, so der Bericht. Religionsfreiheit und Maßnahmen als Reaktion auf Gewalt gegen Christen sollten deshalb „im Mittelpunkt der Prioritäten des britischen Außenministeriums“ stehen.

Der Bericht wolle dazu beitragen, das Vereinigte Königreich „zur weltweit führenden Kraft bei der Verteidigung der Religionsfreiheit“ zu machen.

Neville Kyrke-Smith, Direktor des Büros von KIRCHE IN NOT Vereinigtes Königreich.
In der Einleitung zum Bericht weist der federführende Bischof Mountstephen darauf hin, dass Christenverfolgung keine Einzeltat, sondern ein „globales Phänomen“ sei. Das Christentum sei die weltweit am meisten angegriffene Religionsgemeinschaft. Die westlichen Regierungen würden „ihre Augen vor dieser Realität verschließen“, beklagt Mountstephen.

 

Aufruf an Politiker und Öffentlichkeit

Der Bericht gleiche deshalb ein erhebliches Defizit in der Berichterstattung aus, auch wenn Verletzungen der Religionsfreiheit bei anderen religiösen Minderheiten nicht ausgeklammert werden dürften.

Die vorliegenden Ergebnisse und Handlungsempfehlungen sollten ein Aufruf an Politiker und Öffentlichkeit sein, „nicht länger Zuschauer zu sein, sondern Akteure zu werden“, so der Bischof.

Bischof Joseph Tobji in der zerstörten maronitischen Kathedrale in Aleppo. Die Kirche wird derzeit mit Hilfe von KIRCHE IN NOT renoviert.
„Wir freuen uns, dass wir an diesem Bericht mitwirken konnten“, betonte der Direktor von KIRCHE IN NOT Vereinigtes Königreich, Neville Kyrke-Smith. „Es ist Ansporn für unsere Arbeit, dass diese Themen endlich auf hoher politischer Ebene Beachtung finden.“

 

„Verletzung der Religionsfreiheit nicht ausklammern”

,Es sei an der Zeit, dass die Schwierigkeiten, denen sich Christen und andere religiöse Minderheiten tagtäglich ausgesetzt sähen, erkannt und benannt würden. Es bleibe zu hoffen, dass die britische Regierung die Empfehlungen des Berichts umsetze, auch als Impuls für den weltweiten Schutz der Religionsfreiheit, so Kyrke-Smith.

„Es ist dringend notwendig, die christliche Präsenz in zahlreichen Ländern zu unterstützen, da die Christen trotz Verfolgung oft Brückenbauer und Instrumente des Friedens sind.“

KIRCHE IN NOT über Brennpunkte der Christenverfolgung 2021 (mit Tobias Lehner)

So können Sie helfen

Venezuela befindet sich in einer kriegsähnlichen Situation, ist Baltazar Enrique Kardinal Porras Cardozo, Erzbischof der Hauptstadt Caracas überzeugt. Zum Währungsverfall, dem allgegenwärtigen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und nahezu allen Dingen des täglichen Bedarfs kommen noch schwere Repressionen, die das Regime seine Gegner spüren lässt.

 

Auch die Kirche steht verschärft im Visier. Obwohl die Ressourcen kaum reichen, setzen sich Seelsorger und freiwillige Helfer für die notleidende Bevölkerung ein.

Vertreter von KIRCHE IN NOT haben Anfang Juli das Land besucht. Unser Hilfswerk unterstützt seit langem die kirchliche Sozial- und Pastoralarbeit in Venezuela. Pressereferentin Maria Lozano hat mit Kardinal Porras gesprochen.

Venezolanische Ordensfrauen verteilen belegte Brote an bedürftige Kinder.
MARIA LOZANO: Venezuela befindet sich zwar nicht im Krieg, aber de facto lebt es in einem Kriegszustand. Was halten Sie von dieser Einschätzung?
BALTAZAR ENRIQUE KARDINAL PORRAS CARDOZO:
 Wir befinden uns in einer beispiellosen Situation. Sie ist zwar nicht das Ergebnis eines Krieges, hat aber ähnliche Folgen. Das Regime, das Venezuela zurzeit regiert, hat das Land zerstört und einen sozialen Konflikt ausgelöst, der schlimmer wird.

 

Viele Menschen verlassen das Land

Hinzu kommt die Auswanderung vieler Venezolaner in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Die Menschen verlassen das Land wegen ihrer Armut, ihrer politischen Ideen oder wegen der herrschenden Unterdrückung. Die Wirtschaft ist praktisch zerstört, und es gibt keine Rechtssicherheit.

Dazu kommt die Arbeitslosigkeit. Die Menschen haben keine Chance, den Mindestbedarf für ihre Familien zu erwirtschaften. All das bezeichnen Fachleute als Kriegswirtschaft.

- Erzbischof Baltazar Enrique Kardinal Porras Cardozo,
Regierung und Opposition haben sich im Juni in Oslo an einen Tisch gesetzt – ohne greifbare Ergebnisse. Demnächst sollen die Gespräche auf Barbados fortgesetzt werden. Die Skepsis ist groß. Was ist Ihre Einschätzung?
Die Regierung hat in den vergangenen 20 Jahren immer wieder zum Dialog aufgerufen, wenn sie in Schwierigkeiten war. Aber mit diesen Aufrufen wollte sie lediglich ihre Macht verlängern. Daher misstraut ein großer Teil der Bevölkerung dem Dialog. Trotzdem bietet er die Chance auszuloten, ob es einen Willen zum Wiederaufbau der Demokratie gibt.

 

Es macht mir große Sorgen, dass seit der Ausrufung von Juan Guaidó zum Interimspräsidenten Anfang des Jahres die Zahl der Verhafteten, Gefolterten, Toten und Verschwundenen zugenommen hat. An diesen Aktionen sind nicht nur hochrangige Militärs beteiligt, sondern auch Teile der Bevölkerung.

Baltazar Enrique Kardinal Porras Cardozo, Erzbischof von Caracas/Venezuela.
Vertreter von KIRCHE IN NOT konnten bei ihrem Besuch in Venezuela feststellen, dass die Menschen vielfach kirchliche Einrichtungen aufsuchen. Kann man sagen, dass die Kirche in Venezuela für viele Menschen die letzte Hoffnung ist?
Viele öffentliche und private Einrichtungen wurden zerstört. Die Kirche ist die einzige Institution, die unversehrt geblieben ist. Das liegt an unserer Nähe zu den Menschen und an unserer Präsenz in allen Bereichen.

 

Darüber hinaus hat die Kirche den Mut, auf die Missstände dieses Regimes hinzuweisen. Viele öffentliche Stimmen äußern sich nicht mehr, weil sie Angst haben. Die Regierung hat viele Unternehmer angegriffen oder kritische Medien bedroht und geschlossen.

Baltazar Enrique Kardinal Porras Cardozo, Erzbischof von Caracas, verteilt Suppe an.
Aufgrund ihrer deutlichen Haltung ist aber auch die Kirche Drohungen und Druck ausgesetzt. Kann man sagen, dass die venezolanische Kirche verfolgt wird?

Man kann nicht sagen, dass sie nicht verfolgt wird. Im Bildungsbereich gibt es beispielsweise viele Einschränkungen für katholische Schulen.

 

Kirche leidet unter subtilem Druck

Es scheint, als seien Hindernisse errichtet worden, damit die Kirche am Ende selbst ihre Schulen schließt. Seit Jahren leiden wir unter subtilem Druck, verbalen Drohungen und Schikanen gegen die karitativen Einrichtungen. Pfarreien werden von der Regierung, von kommunalen Räten und von regierungsfreundlichen Gruppen, den sogenannten „Colectivos“, angegriffen.

In den ärmeren Stadtvierteln von Caracas zum Beispiel stehen diese „Colectivos“ oft vor den Kirchentüren. Sie hören genau zu, was der Priester in der Predigt sagt. Wenn ihnen das nicht gefällt, beginnen die Drohungen.

Menschen strömen über die Grenzbrücke von Venezuela nach Kolumbien.
Was würde in Venezuela passieren, wenn die katholische Kirche ihr Engagement nicht fortsetzen könnte?
Für viele Menschen würde sich die Situation noch weiter verschlechtern. Weil so viele Menschen auswandern, sind wir Daheimgebliebenen emotional verwaist. Die Familien und das soziale Umfeld sind verschwunden. Es fehlt an Gemeinschaft.

 

Wir leiden auch darunter, dass es vielen von den Auswanderern weiterhin nicht gut geht. Das ist sehr traurig.

- Erzbischof Baltazar Enrique Kardinal Porras Cardozo
Was ist Ihre Botschaft an die Menschen, die die Arbeit der Kirche in Venezuela durch Organisationen wie KIRCHE IN NOT unterstützen?
Die Nähe vieler Institutionen ist für uns ein großer Trost. Insbesondere bin ich KIRCHE IN NOT zutiefst dankbar, nicht nur für die materielle Hilfe, sondern auch für den „geistlichen Gleichklang“, der sich vor allem im Gebet ausdrückt.

 

Dank der Hilfe, die wir von KIRCHE IN NOT zum Beispiel durch Mess-Stipendien erhalten, werden die Nöte der Pfarreien stark gemildert. Auf diese Weise können andere Mittel zur Stärkung der Sozialarbeit eingesetzt werden, die es uns ermöglichen, den bedürftigsten Menschen zur Seite zu stehen.

So können Sie helfen

Der Franziskaner Pierbattista Pizzaballa ist Erzbischof und Apostolischer Administrator des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem. Er ist damit das Oberhaupt von rund einer Viertelmillion Katholiken in Israel und den Palästinensischen Gebieten.

 

Obgleich die Christen im Heiligen Land nur rund ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind Sie im öffentlichen Leben präsent. Gleichzeitig müssen sie mit vielfältigen Herausforderungen ringen. Das betrifft besonders die arabischen Christen, die die Mehrheit der Gemeinden stellen.

Bei seinem Besuch im Büro von KIRCHE IN NOT Deutschland in München sprachen wir mit ihm über die aktuelle Lage im Heiligen Land.

Palmsonntag-Prozession in Jerusalem.
KIRCHE IN NOT: Herr Erzbischof, wie ist die aktuelle Situation der Christen im Heiligen Land?
ERZBISCHOF PIZZABALLA:
 Es wird oft gesagt, dass es in dem Gebiet, das als Heiliges Land im engeren Sinne gilt, drei Gruppen gibt: Israelis, Palästinenser, Christen. Aber die Christen sind kein „drittes Volk“. Die Christen gehören zu dem Volk, in dem sie leben. Wir haben als Christen keine Gebietsansprüche.

 

Für einen Juden oder einen Muslim ist es niemals eine Gefahr, einen Christen zu treffen. Dennoch ist das Leben für die Christen nicht einfach: Es ist schwieriger für die Christen, eine Arbeit oder eine Wohnung zu finden. Die Lebensbedingungen sind erschwert.

Erschwerte Lebensbedingungen

Also ist die Religionsfreiheit für die Christen im Heiligen Land stark eingeschränkt?
Da muss man differenzieren. Die Freiheit der Religionsausübung ist eine Sache, die Gewissensfreiheit eine andere. Die Freiheit der Religionsausübung ist gegeben: Die Christen können ihre Gottesdienste feiern und ihr Gemeindeleben gestalten.

Gewissensfreiheit bedeutet, dass jeder Gläubige sich frei ausdrücken kann und dass sich Angehörige anderer Religionen frei entscheiden können, wenn sie Christen werden möchten. Da wird es sehr viel komplizierter.

- Erzbischof Pierbattista Pizzaballa
Im Heiligen Land spielt Politik immer eine große Rolle. Wenn man beschließt, einen bestimmten Ort zu besuchen, kann das schnell eine politische Frage werden. Ein Beispiel: Christen aus Bethlehem möchten die Grabeskirche in Jerusalem besuchen, um dort zu beten. Häufig geht das nicht, weil sie eine Genehmigung brauchen.

 

Ist das also eine Frage der Religionsfreiheit oder ist es einfach Politik und sie können die Grabeskirche nicht besuchen, weil sie Palästinenser sind? All das ist miteinander verwoben.

Erzbischof Pierbattista Pizzaballa.
Vor kurzem hat die US-Regierung von Donald Trump die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegt. Rumänien ist einige Monate später diesem Beispiel gefolgt. Wie stark machen sich diese politischen Maßnahmen bemerkbar?
Im Alltag hat sich erst einmal nicht viel verändert. Dennoch ist die Verlegung der amerikanischen Botschaft eine politische Sackgasse. Alle Fragen, die Jerusalem betreffen und nicht beide Seiten – Israelis und Palästinenser – einbeziehen, sorgen für einen tiefen Riss auf politischer Ebene.

 

Genau das ist geschehen. Nach der Verlegung der amerikanischen Botschaft haben die Palästinenser jede Verbindung zur amerikanischen Regierung abgebrochen und die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensergebieten, die ohnehin nur schleppend verliefen, ganz zum Erliegen gebracht.

Verlegung der US-amerikanischen Botschaft

Die neuen Eskalationen führen dazu, dass sich junge Menschen vermehrt radikalisieren, gerade auch unter den Palästinensern. Hat dies auch Konsequenzen für die Christen?
Es gibt Palästinenser, die fundamentalistischen Bewegungen angehören. Aber es gibt auch viele, die die Gewalt ablehnen. Ein Großteil der Christen im Heiligen Land sind Palästinenser. Sie leben also unter denselben Bedingungen wie die palästinensischen Muslime.

Der religiöse Fundamentalismus stellt die Christen klar an den Rand der Gesellschaft. Wir erleben also sowohl Zusammenarbeit und Solidarität, aber auch Ausschluss und Diskriminierung.

Erzbischof Pierbattista Pizzaballa (Bildmitte) im Gespräch mit Dr. Josef Dohrenbusch, stellvertretender Vorsitzender von KIRCHE IN NOT Deutschland (links), und Pater Hermann-Josef Hubka, geistlicher Assistent von KIRCHE IN NOT Deutschland.
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Abwanderung von Christen …
Die Abwanderung ist kein Massenphänomen, sonst wären die Christen längst aus dem Heiligen Land verschwunden. Es ist ein stetiges Tröpfeln. Jedes Jahr berichten mir die Priester bei meinen Besuchen in den Pfarrgemeinden: „Dieses Jahr haben wir zwei, drei Familien verloren.“

 

„Die Kirche muss versuchen, Brücken zu bauen”

Kann die Kirche in dieser verfahrenen politischen Situation etwas tun?
Die Christen machen rund ein Prozent der Bevölkerung aus. Wir können daher nicht verlangen, dasselbe politische Gewicht zu haben wie andere Gruppen.

Nun hat die Kirche aber natürlich starke weltweite Beziehungen. Hinzu kommen die Millionen christlichen Pilger aus aller Welt. Dadurch ist die Kirche im Heiligen Land sehr viel sichtbarer, als es die Zahlen vermuten lassen.

Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu vermitteln: Es gibt eine christliche Art, in diesem Land zu leben. Es gibt eine christliche Art, unter diesem Konflikt zu leben. Im Augenblick ist nicht die Zeit für große Gesten. Die Kirche muss versuchen, kleine Verbindungen herzustellen, kleine Brücken zu bauen.

Grenzübergang bei Bethlehem.
Der Besuch von Papst Franziskus im Jahr 2014 war eine der großen Gesten in der jüngeren Vergangenheit. Hat das die politische Situation, aber auch das Verhältnis der katholischen und orthodoxen Christen beeinflusst?
Die Papstbesuche sind wichtige Mosaiksteine auf dem Weg zum Frieden, auch wenn sie natürlich nicht die große Wende bringen können.

 

„Wichtige Mosaiksteine auf dem Weg zum Frieden”

Im Blick auf die Ökumene ist das anders: Papst Franziskus hat mit seinem Besuch an die berühmte Begegnung von Papst Paul VI. mit Patriarch Athenagoras im Jahr 1964 in Jerusalem angeknüpft.

Vor diesem Hintergrund war der Besuch von Papst Franziskus, vor allen Dingen das ökumenische Gebet in der Grabeskirche, ein entscheidender und spürbarer Wendepunkt in der Beziehung von katholischen und orthodoxen Christen.

- Erzbischof Pierbattista Pizzaballa
In Jerusalem unterstützt KIRCHE IN NOT ein interreligiöses Seminar mit dem Titel „Vergebung aufbauen, den Hass überwinden“. Daran nehmen Christen, Juden und Muslime teil. Können Sie uns kurz etwas dazu sagen?
In erster Linie bedanke ich mich bei KIRCHE IN NOT, weil das Hilfswerk viele Dinge im Heiligen Land tut. Es unterstützt viele Projekte, auch dieses Seminar, das vom „Rossing-Center“ veranstaltet wird.

 

Daniel Rossing war Jude und überzeugt, dass Jerusalem ein Ort sein muss, an dem sich alle Religionen zu Hause fühlen. Dieses Zentrum organisiert eine Fülle von Begegnungen. Viele Jugendliche, die an diesen Kursen teilgenommen haben, nehmen ihre Erfahrungen in ihre Berufe mit. So wird die Religion, die im Heiligen Land oft ein Element der Trennung ist, zu einem Element der Gemeinsamkeit.

 

12 Fragen an Erzbischof Pierbattista Pizzaballa (ein Porträt)

 

So können Sie helfen

„Unser Weg zu Gott. Texte zur Unterweisung von Katechumenen“ heißt das neue Buch, das KIRCHE IN NOT Deutschland herausgibt.

 

Es ist in deutscher und arabischer Parallel-Übersetzung verfasst und richtet sich an arabischsprachige Taufbewerber, Zuwanderer und Geflüchtete, die sich für den christlichen Glauben interessieren, oder an gemischtsprachige Gruppen in Pfarrgemeinden.

Das 450 Seiten starke Werk ist im Stil einer Katechese verfasst und erleichtert damit Priestern, pastoralen Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern die Vorbereitung. Es ist jedoch auch für die individuelle Lektüre geeignet.

Kinderkatechese im Irak.
Unser Weg zu Gott“ ist in sechs Teile mit insgesamt 27 Kapitel gegliedert. Sie befassen sich mit allen zentralen Inhalten des katholischen Glaubens, zum Beispiel den biblischen Grundlagen, den Sakramenten, der Dreifaltigkeit, aber auch der christlichen Sozialmoral und anderem mehr. Die Darstellung nimmt Bezug auf die Lebenserfahrung junger Menschen.

 

Anregungen zum geistlichen Leben

Jedes Kapitel besteht aus einer Hinführung zum Thema, einem biblischen Text, der anschließend erläutert und ins Heute übertragen wird.

Im Abschnitt „Theologische und geistliche Lehre“ finden sich Anregungen zum geistlichen Leben und Kurzzusammenfassungen der kirchlichen Lehren im Stil eines Katechismus. Zahlreiche Ikonendarstellungen illustrieren die Inhalte.

Titelbild des Arabisch-deutschen Katechismus.
Wesentlich angeregt und gefördert hat den neuen Glaubens-Kurs der Nahost-Referent von KIRCHE IN NOT, Dr. Andrzej Halemba. „Es hat zum Ziel, den arabischsprechenden Menschen und all denen zu helfen, die den christlichen Glauben und den Empfang der Taufe suchen, die Gott begegnen wollen, der die Liebe ist“, schreibt Halemba im Vorwort.

 

„Gott begegnen, der Liebe ist”

Besonders ist auch die Entstehungsgeschichte des Buches: Es kommt aus der Praxis der Kirche im Nahen Osten, besonders in Syrien, im Irak und im Libanon. Verfasst haben es die beiden libanesischen Geistlichen Pater Michel Sakr und Monsignore Antuan Assaf.

Das Werk war eine Reaktion auf die pastorale Praxis und die Zahl von jungen Erwachsenen in den Ländern des Nahen Ostens, die sich auf die Taufe vorbereiten.

Katechese im Libanon.
KIRCHE IN NOT hatte die Erstellung und Verbreitung von „Unser Weg zu Gott“ in arabischer Sprache unterstützt, ebenso wie jetzt die zweisprachigen Übersetzungen.

 

„Unser Weg zu Gott“ ist mittlerweile ins Deutsche und Französische übertragen worden. Die deutsche Übersetzung stammt von Pater Christian Troll SJ, der zu den führenden katholischen Islamwissenschaftlern zählt.

Empfohlen für alle, die in der Flüchlingsseelsorge aktiv sind

Bei aller missionarischen Ausrichtung des Werkes gehe es „in erster Linie um eine aufrichtige Gesprächsgrundlage für alle arabischsprechenden Menschen, die nach dem Leben und der Lehre der Christen fragen“, erklärte Troll im Gespräch mit KIRCHE IN NOT.

„Unser Weg zu Gott“ sei nicht nur eine „profunde Einführung in den Glauben“, sondern biete durch die Zweisprachigkeit „eine gute Gelegenheit, miteinander über die Inhalte und Werte des Christentums ins Gespräch zu kommen“, führte Troll aus.

„Ich kann das Buch darum allen, die sich in der Flüchtlingsseelsorge engagieren, bestens empfehlen.“

Hier können Sie das Buch bestellen

Die Glaubenseinführung „Unser Weg zu Gott“ kostet 15,- Euro zuzüglich Versandkosten und kann online bestellt werden oder bei:
KIRCHE IN NOT
Lorenzonistr. 62
81545 München

Telefon: 089 / 64 24 888 0
Fax: 089 / 64 24 888 50

E-Mail: kontakt@kirche-in-not.de

 

TV-Interview mit P. Prof. Troll SJ über den Katechese-Begleiter

„Weniger als ein Prozent der Einwohner in meinem Bistum sind Christen.“ Das berichtet Bischof Ambroise Ouédraogo im Gespräch mit KIRCHE IN NOT.

 

Der 70-jährige Geistliche ist Bischof des Bistums Maradi, einer der beiden Diözesen im westafrikanischen Niger.

Die rund 5000 Katholiken seiner Diözese hätten jahrelang weitgehend in Sicherheit mit der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung zusammengelebt, so der Bischof. „Das änderte sich im Jahr 2015, als die islamkritischen Karikaturen der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo eine Welle der Gewalt auslösten.“

Frauen am Brunnen in Niger (Foto: H.-J. Ripka).
Bei zahlreichen Ausschreitungen im gesamten Land wurden binnen weniger Stunden mindestens zehn Christen getötet. Über 70 Kirchen und andere christliche Einrichtungen wurden zerstört. Rund 80 Prozent der christlichen Gotteshäuser des Landes waren betroffen.

 

Große Angst vor Islamisten

„Die Menschen haben nach wie vor große Angst vor Islamisten“, berichtet Ouédraogo. „Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Christen.“ Erst vor zwei Wochen wurde in seiner Diözese die protestantische Kirche in Maradi von Extremisten in Brand gesetzt, die damit gegen die Verhaftung eines Imams protestierten.

Er war festgenommen worden, weil er sich in seinen Predigten gegen einen Gesetzesentwurf ausgesprochen hatte, der eine stärkere Kontrolle der Finanzquellen beim Bau und Betrieb privater Kultstätten vorsieht. Trotz der Demonstrationen wurde das Gesetz vom Parlament verabschiedet.

Bischof Ambroise Ouédraogo aus dem Niger.
Acht Kilometer vom jüngsten Anschlagsort entfernt lebt Schwester Marie Catherine Kingbo mit ihrer Gemeinschaft der „Dienerinnen Christi“. Im Gespräch mit KIRCHE IN NOT erzählt sie: „Wir haben mit Angriffen gerechnet – aber wir dachten nicht, dass ein Gesetzesentwurf sie auslösen würde.“

 

Unter ständigem Polizeischutz

Sie ist vor 15 Jahren in den Niger gekommen. Damals gab es fast keine interreligiösen Spannungen, sagt sie. Das habe ich sich grundlegend geändert. „Jetzt höre ich sogar Muslime sagen, dass es zu viele radikale Moscheen und Koranschulen gibt“, sagt Catherine.

Ihre Gemeinde und die Schülerinnen, die sie unterrichtet, stehen aus Angst vor islamistischen Attacken unter Polizeischutz. „Das Böse, das in Libyen, Syrien und anderen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens entfesselt wurde, breitet sich auch hier wie Brennstoff aus“, beklagt sie.

Schwester Marie Catherine Kingbo betreut Kinder in einer Missionsstation in Tigri im Niger.
Aber nicht nur das Böse breite sich aus, sondern auch das Gute, ist Schwester Catherine überzeugt. Ihre Ordensgemeinschaft stelle viele Aktionen auf die Beine, die der nigrischen Gesellschaft zugutekommen. Die Schwestern unterstützen unter anderem notleidende Frauen.

 

Erfolgreiche interreligiöse Konferenzen

Jedes Jahr organisieren sie eine Begegnung von Christen und Muslimen. 2006 nahmen an der ersten dieser interreligiösen Konferenzen 28 Personen teil; 2018 waren es 350. Die Beziehungen zu den örtlichen Imamen und den Nachbarn seien gut, so Schwester Catherine.

Deshalb kommt es für sie nicht infrage, ihre Arbeit aus Angst vor Extremismus einzuschränken: „Wir werden nicht gehen. Sie haben Gewehre, aber wir haben Jesus!“

Verteilung von Lebensmitteln an Mütter mit Kindern in der Niederlassung der „Dienerinnen Christi“ in Tigri.
So denkt auch Bischof Ouédraogo. Auch für ihn stand die Zusammenarbeit und der Dialog mit den Muslimen niemals infrage. „Viele Muslime finden die aktuelle Situation zutiefst beschämend und zeigen sich solidarisch mit den Christen“, betonte der Bischof.

 

„Über 95 Prozent der Schüler an den katholischen Schulen sind Muslime. Auch die Caritas hat Projekte in Regionen, in denen fast ausschließlich Muslime leben. Wir machen keinen Unterschied. So wird es auch bleiben.“

So können Sie helfen

KIRCHE IN NOT hat im Rahmen seines Wiederaufbauprogramms für die vor allem von Christen bewohnten Ortschaften in der irakischen Ninive-Ebene begonnen, weitere Häuser für 41 Familien in der Stadt Bartella wieder zu errichten. Bartella liegt 23 Kilometer östlich von Mossul.

 

Über 200 Personen profitieren von diesem Projekt. Es ist die neueste Maßnahme im Aufbauprogramm von KIRCHE IN NOT. Unser Hilfswerk hat bereits die Renovierung von mehr als 2000 Häusern in der Region unterstützt.

Vor der Invasion des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) im Jahr 2014 war Bartella eine Stadt mit etwa 17 500 Einwohnern, die meisten von ihnen syrisch-orthodoxer oder syrisch-katholischer Konfession.

KIRCHE IN NOT errichtet weitere Häuser für über 40 Familien in Bartella. Das Foto entstand nach dem Wortgottesdienst in einer Kirche in Bartella, bei der jede Familie einen kleinen Olivenbaum erhalten hatte. Er soll als ein Zeichen der Hoffnung wachsen. Dr. Andrzej Halemba (5. v. r.) war als Vertreter von KIRCHE IN NOT vor Ort.
Die Menschen flüchteten in den kurdischen Teil des Irak, von dort gingen viele ins Ausland. Während dieser Zeit stellte KIRCHE IN NOT Lebensmittel, Unterkunft, Medikamente und Schulunterricht für die vertriebenen Christen bereit.

 

Wohnhäuser und Kirchen geplündert und niedergebrannt

Als die Bewohner nach der Befreiung der Stadt im Jahr 2016 zurückkehrten, fanden sie ihre Wohnhäuser beschädigt, geplündert und niedergebrannt vor. So wollten die IS-Einheiten verhindern, dass die Christen wieder zurückkehren. Weitere Häuser wurden während der Befreiung durch Luftangriffe zerstört.

Auch die Kirchen hatten die Terroreinheiten geplündert und die sakralen Gegenstände beschädigt. An einer Kirchenwand prangte die schwarze IS-Fahne.

Die syrisch-orthodoxe Kirche in Bartella. Sie wurde von IS-Kämpfern beschädigt, konnte aber mit Unterstützung von KIRCHE IN NOT renoviert werden.
KIRCHE IN NOT hatte 2017 mit Vertretern der lokalen Kirchen ein Wiederaufbaukomitee für die Ninive-Ebene gegründet, um die christliche Präsenz in der Region zu stärken. Zuvor hatten Freiwillige die Schäden in den Ortschaften dokumentiert.

 

Wiederaufbau in der Ninive-Ebene geht voran

Aktuell sind bereits gut die Hälfte der Häuser renoviert und ebenfalls die Hälfte der vertriebenen Christen zurückgekehrt. Das erhoffen die Akteure nun auch für Bartella: Am 5. Juni 2019 wurde in einem feierlichen Wortgottesdienst der Wiederaufbau dieser Stadt eingeläutet.

So sah der Innenraum der syrisch-orthodoxen Kirche in Bartella aus, nachdem der IS dort geplündert und gebrandschatzt hatte.
Dr. Andrzej Halemba, Sektionsleiter für den Nahen Osten bei KIRCHE IN NOT, verglich in seiner Ansprache die irakischen Christen mit den Familien des Alten Testaments nach dem Babylonischen Exil. Deren Aufgabe sei es gewesen, Jerusalem nach seiner Zerstörung wiederaufzubauen.

 

Olivenzweige als Zeichen der Hoffnung

Anschließend segneten die Geistlichen Olivenbäume und verteilten einen an jede Familie. Die Olivenzweige symbolisieren die Hoffnung auf Frieden nach den vielen Jahren des Krieges – und dass diese Bäume, die in den Gärten der Familien gepflanzt werden, reiche Früchte tragen.

So können Sie helfen

In Eritrea ist es Mitte Juni zu einer neuen Eskalation im Verhältnis von Staat und christlichen Kirchen gekommen. Soldaten beschlagnahmten 21 von der eritreisch-katholischen Kirche geführte Kliniken, Arztstationen und Gesundheitseinrichtungen. Diese versorgen insgesamt rund 170 000 Personen.

 

Die Patienten seien aufgefordert worden, ihre Betten zu verlassen, teilten Ansprechpartner, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchten, KIRCHE IN NOT mit. Das Klinik-Personal habe sich teilweise geweigert, die Schlüssel auszuhändigen. Die Soldaten hätten sich daraufhin gewaltsam Zugang verschafft.

Mütter mit Kindern an der Tür der Kathedrale in der eritreischen Hauptstadt Asmara.
Sollte der Klinikbetrieb nicht bald wiederaufgenommen werden, bestehe für viele Menschen Lebensgefahr, teilen die Ansprechpartner mit. Manche von ihnen müssten ohnehin bis zu 25 Kilometer zu Fuß gehen, um einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen zu können.

 

Protestbrief der Bischöfe an die Gesundheitsministerin

Die vier katholischen Bischöfe der eritreisch-katholischen Kirche richteten ein Protestschreiben an die Gesundheitsministerin Amna Nurhusein. Das Vorgehen gegen kirchliche Gesundheitseinrichtungen, von denen einige bereits 70 Jahre betrieben werden, sei „zutiefst ungerecht“.

„Der Kirche diese Einrichtungen wegzunehmen, bedeutet, ihre Existenzgrundlage zu untergraben und ihre Mitarbeiter der Verfolgung auszusetzen“, erklärten die Bischöfe.

Verteilung von Hilfsgütern in Eritrea.
Ein anonymer Informant erklärte gegenüber KIRCHE IN NOT die möglichen Hintergründe: Die Regierung Eritreas wolle der einzige Anbieter medizinischer Fürsorge seien. Die staatlichen Einrichtungen seien jedoch häufig schlecht ausgestattet, und es stehe wenig Personal zur Verfügung. Deshalb würden die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen von der Mehrzahl der Bevölkerung geschätzt.

 

Wiedereröffnung der Kliniken ungewiss

„Wenn die Kirche Gesundheitsdienste erbringt, konkurriert sie nicht mit dem Staat, sondern ergänzt nur die Arbeit der Regierung“, teilte der Ansprechpartner mit. Ob die Kliniken und weiteren Einrichtungen in naher Zukunft wieder öffnen könnten, sei ungewiss.

Das Regime habe vor zwei Jahren schon einmal private Gesundheitseinrichtungen beschlagnahmt. Diese seien bis heute geschlossen. Die Kontaktperson appellierte an die internationale Gemeinschaft, die Regierung von Präsident Isaias Aferweki aufzurufen, den Weg zur Versöhnung einzuschlagen.

Mädchen aus Eritrea.
Eritrea wird seit 1993 diktatorisch regiert. Eine Verfassung mit Garantie der Religionsfreiheit wurde zwar ausgearbeitet, ist aber bis heute nicht in Kraft getreten. Das Regime erkennt neben dem Katholizismus nur zwei weitere christliche Konfessionen und den sunnitischen Islam an. Christen machen etwa 46 Prozent der Bevölkerung Eritreas aus.

 

Diktatorische Regierung

Immer wieder kommt es zu staatlichen Repressionen gegen die Religionsgemeinschaften. Internationale Beobachter werfen dem Land  Menschenrechtsverletzungen vor, die jährlich Tausende in die Flucht treiben. Im Januar 2018 wurde das Land aufgrund der erheblichen Missachtung der Religionsfreiheit vom US-Außenministerium in die Liste der „besonders gefährdeten Länder“ aufgenommen.

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