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Der heilige Adalbert: Ein Beitrag des Kirchenhistorikers Prof. Dr. Rudolf Grulich

Der heilige Adalbert: Ein Beitrag des Kirchenhistorikers Prof. Dr. Rudolf Grulich

23.04.2020 aktuelles
Als sich am 23. April 1997 zum 1000. Mal der Todestag des hl. Adalbert, des zweiten Bischofs der 973 gegründeten Diözese Prag, jährte, war das der Anlass für Papst Johannes Paul II., zum dritten Mal innerhalb von sieben Jahren nach Prag zu kommen. Schon 1990 hatte er seinen ersten Besuch in einem Land des ehemaligen Ostblocks am Feste des hl. Adalbert in Prag gemacht. Damit wollte der slawische Papst die europäische Bedeutung des hl. Adalbert betonen, für dessen 1000. Todestag Kardinal Frantisek Tomašek von Prag noch zu Zeiten des Kommunismus 1987 als Vorbereitung ein „Jahrzehnt des geistlichen Erneuerung“ für die böhmischen Länder angeordnet hatte. Der Bedeutung dieses Heiligen für die Ausgestaltung Europas sind sich leider viele Christen in Mitteleuropa, vor allem im deutschen Sprachraum, zu wenig bewusst.

Ursache dafür ist u. a. auch, dass die Slawen im Bewusstsein Europas bisher nur als Randerscheinung präsent waren. So hat Leopold von Ranke Europa definiert als Synthese von Antike, Christentum und Germanentum. Hier fehlen die Slawen ebenso wie bei Theodor Heuß, der Europa auf drei Hügeln erbaut sah: auf Golgotha, dem Areopag und dem Kapitol.

1979 hat der slawische Papst Johannes Paul II. in Gnesen bei seinem ersten Besuch als Papst in seiner polnischen Heimat den hl. Adalbert als großen Europäer gewürdigt. Ein Jahr später hat er die Slawenapostel Cyrill und Method zu Konpatronen Europas erklärt und sie dem hl. Benedikt als Vater des Abendlandes zur Seite gestellt. Er sprach später von zwei Flügeln einer Lunge, durch die Europa atmen müsse, um als Gesamteuropa zu leben. Seit 1989 hat die politische Entwicklung in Ost-mitteleuropa dem Papst recht gegeben. St. Adalbert ist ein Wegbereiter Europas, aber doch auch ein unbekannter Heiliger.
Schädelreliquie des heiligen Adalbert im Dom zu Prag. Foto: Pelz.
Adalbert, ein Weißkroate

Es beginnt mit der Herkunft dieses Mannes, den Tschechen und Deutsche für sich beanspruchten, und der doch ein Kroate war. Das Gebet- und Gesangbuch „Slavimo Boga“ (Wir loben Gott), das vom Kroatischen Oberseelsorgeamt in Frankfurt/Main für die kroatischen katholischen Seelsorgestationen im Ausland herausgegeben wurde, enthält bei den Gebeten zu verschiedenen Heiligen, die von den Kroaten besonders verehrt werden, auch eines zum hl. Adalbert. Es heißt darin, dass Gott den hl. Adalbert nicht nur zum „Apostel seiner Landsleute, der Weißen (nördlichen) Kroaten, gemacht habe, sondern auch zum Heiligen der Slowaken, Polen, Tschechen und Deutschen und zum Taufbringer der Ungarn.“

Das überrascht: Adalbert, der slawisch Vojtech hieß, ein Kroate? Mehr Aufschluss darüber bietet ein Buch, das bereits seit 1989 auch in deutscher Übersetzung vorliegt: „Kroaten und Serben, zwei alte verschiedene Völker“ des kroatischen Historikers Dominik Mandić ; das kroatische Original war im Jahre 1970 in Chicago erschienen. Der Name Kroate taucht erstmals in zwei Inschriften der an der Donaumündung gelegenen Stadt Tanais auf. Die Kroaten waren, wie auch ihr Volksname, wahrscheinlich iranischer Herkunft. Wie die Iraner bezeichnen sie die Himmelsrichtungen nach Farben, und zwar den Westen als Weiß und den Süden als Rot. So ist zu verstehen, dass die Kroaten, die sich im Westen in Nordböhmen und Schlesien niederließen, als weiße Kroaten, und das eigentliche Kroatien im Süden als Rotkroatien bezeichnet wurde. In diese Gebiete kamen die Kroaten im 7. Jahrhundert. Eine wichtige Quelle für die Weißkroaten ist der byzantinische Kaiser und Historiker Konstantin Porphyrogennetos, der im 31. Kapitel seines Werkes „Über die Verwaltung des Imperiums“ (De imperio administrando) schreibt:

„Die Kroaten, die jetzt in den Gebieten Dalmatiens wohnen, stammen von den ungarischen Kroaten ab, die Weißen genannt, welche jenseits der Türkei, nahe beim Frankenreich wohnen…, Großkroatien, gleichfalls das Weiße genannt, ist bis heute nicht getauft.“ Mit Türkei sind hier die Gebiete der Ungarn gemeint. Unter den westeuropäischen Chronisten jener Zeit, von denen diese Tatsache bestätigt wird, muss der angelsächsische König Alfred der Große (871-901) genannt werden, der in der Übersetzung der „Weltgeschichte“ des Oriosius unter den damaligen Völker Mitteleuropas auch diese Weißen Kroaten nennt.

Andere Zeitgenossen bestätigen dies, so auch verschiedene arabische Reisende, die als slawische Völker im ostmitteleuropäischen Raum die Sorben, Mährer, Kroaten und Tschechen nennen. So tut dies Al-Mas’udi im Jahre 943, der über Weißkroatien schreibt: „Diesem slawischen Staate ist der Staat Al-Firag (Prag) am nächsten… In der Nähe dieses slawischen Staates liegt der Staat der Türken (Madjaren). Dieses Volk ist das schönste von Gestalt, das zahlreichste und das tapferste unter den Slawen.“

Auch in ostslawischen Quellen ist von Kroaten in Schlesien, Kleinpolen und an der oberen Weichsel die Rede, so in der berühmten russischen Nestorchronik unter den Jahren 907 und 992. Nach dem tschechischen Slawisten P. J. Safarik lebten die weißen Kroaten im Gebiet der Rus’, in Kleinpolen und in Böhmen, also in drei Gruppen. Auch L. Niederle geht von diesen drei Gebieten aus, während der Pole A. Brückner nur die Randgebiete der Kroaten in Böhmen und in der Ukraine anerkennt, J. Marquard lediglich eine mittlere Gruppe in Kleinpolen und M. Hruševskij eine solche in Böhmen. Wie groß das kroatische Gebiet einst war, ersieht man aus der aus dem Jahre 1086 stammenden Urkunde, welche die Grenzen des damaligen Prager Bistums beschreibt und zwei Gruppen von Kroaten erwähnt: „Chrovati et altera Chrovati.“ Dominik Mandić meint dazu, dass damals das nord- oder weißkroatische Siedlungsgebiet schon durchbrochen war und es nordböhmische und kleinpolnische Kroaten gab. Für ihn ist die Herzogsfamilie der Slawnikinger (Slavnikiden), der auch der hl. Adalbert entstammte, eine kroatische Adelsfamilie. Erst als die Přemysliden die Slavnikiden ausrotteten, verschwand das Kroatentum durch Verschmelzung mit Tschechen und Mährern.

An der oberen Weichsel hielten sich die Kroaten dagegen etwas länger, wurden aber dennoch im Laufe der Zeit polonisiert. Immerhin trägt der italienische Kartograph Allodi in seine Europakarte vom Jahre 1730 neben dem „Regno di Croazia“ an der Adria noch zwischen Mähren und Rumänien nördlich der Karpaten die „Belocroati“, also die Weißen Kroaten ein.

St. Adalbertskreuz in Tenkitten (bis 1945).
Ein großer Europäer

Der polnische Papst, der zum Jahresende 1980 die Slawenapostel Cyrillus und Methodius zu Konpatronen Europas erklärt und damit die Slawen wieder nach Europa zurückgeführt hatte, sah die Größe des hl. Adalbert in seinem Wirken für Europa am Ende des ersten Jahrtausends. Die Kirche bereitete sich deshalb in den Jahren des ausgehenden zweiten Jahrtausends auf Wunsch des Papstes intensiv auf das Jahr 2000 vor. In allen deutschen Diözesen wurden bereits eigene Beauftragte für die Durchführung dieses Jubiläumsjahres ernannt. Es sollten zwei Jahrtausende Kirchengeschichte in ihrer Rückblende erfasst und Vorbereitungen getroffen werden, damit die Kirche optimistisch in ein drittes Jahrtausend gehen kann. Auch vor 1000 Jahren stand die Christenheit, die damals noch nicht geteilt war, vor der Feier der Jahrtausendwende. Damals wurde das neue Jahrtausend auch mit apokalyptischen Befürchtungen erwartet, aber auch mit großen Hoffnungen, denn die letzten Jahre des ersten Jahrtausends waren auch Sternstunden einer Entwicklung zur Einheit Europas. Das gilt vor allem für die letzten Lebensjahre des Hl. Adalbert 996 und 997 .

Damals war der erst 16jährige Otto III. deutscher König und römischer Kaiser. Er war der Sohn des dem sächsischen Hause entstammenden Kaisers Otto II. und der byzantinischen Kaisertochter Theophanu. Sein Großvater war Otto I., der im Jahre 962 das Kaisertum erneuert hatte. Rustikales Sachsentum aus dem Erbe seines Vaters musste Otto III. in sich mit griechischer Geistigkeit aus Byzanz verschmelzen. Vor genau einem Jahrtausend traf er in Rom und Mainz mit zwei Männern zusammen, die ihn für seine Welteinschätzung und sein Regierungsprogramm entscheidend prägten: In Rom begegnete er erstmals dem gelehrten Franzosen (oder besser Westfranken) Gerbert von Aurillac, der später Papst Sylvester II. wurde, und in Mainz dem damaligen Bischof von Prag, dem hl. Adalbert.

In vielen Gesprächen und Begegnungen mit beiden Gelehrten und Kirchenmännern reifte in dem jungen Kaiser seine Idee der Erneuerung des Reiches und der Einigung Europas durch die Christianisierung des Ostens. Obwohl der heilige Adalbert bereits am 23. April des Jahres 997 als Glaubensbote bei den heidnischen Pruzzen ums Leben kam, war er von entscheidender Bedeutung für den Kaiser. Dieser ließ ihn bereits zwei Jahre nach seinem Märtyrertod durch den inzwischen zum Papst gewordenen Sylvester II. heilig sprechen. Im Jahre 1000 pilgerte dann Kaiser Otto III. nach Gnesen an das Grab des hl. Adalbert und gründete dort nicht nur ein Bistum, sondern eine Kirchenprovinz, der er ebenso die Selbständigkeit zuerkannte wie dem jungen polnischen Staat.

Ähnliches geschah kurz darauf in Ungarn, wo die Kirchenprovinz Gran gegründet wurde und der junge Fürst Stephan die Königskrone erhielt. Als Stephanskrone blieb sie über 900 Jahre Garant der Einheit des Ungarischen Staates bis 1918. Bis zu den Magyarisierungssbestrebungen nach 1867 blieb Ungarn ein multinationaler Staat, dem Testament des hl. Stephan verpflichtet.

Die Geburtsstunde Europas

Nicht nur für die Katholiken aus diesem Raum und die vertriebenen Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien, sondern für alle Europäer sollte es geboten sein, sich mehr als bisher mit diesem großen Heiligen zu befassen. Von Geburt her war er ein Kroate aus dem Geschlecht der Slavnikiden. Sein Taufname war Vojtech; den Namen Adalbert nahm er erst bei der Firmung an, die er in Magdeburg durch den deutschen Bischof Adalbert erhielt. Dieser Adalbert mit dem Beinamen von Magdeburg stammte ursprünglich aus Lothringen, war Benediktinermönch der Reformabtei St. Maximin in Trier und war auf Bitten der hl. Olga von Kaiser Otto I. nach Kiew gesandt worden. Dort konnte er sich aber in der noch heidnischen Umgebung des jungen Warägerstaates nicht behaupten und nach Deutschland zurück. 968 wurde er Erzbischof in Magdeburg. Bei ihm wurde der junge Vojtech aus Böhmen erzogen.

Adalbert von Prag. Teil des Wenzelsdenkmals auf dem Wenzelsplatz in Prag. Foto: Arkadiy Etumyan.

Erst im Jahre 988 sollte unter Großfürst Wladimir das Christentum in Kiew eingeführt werden, nun aber nach byzantinischer Tradition und östlichem Ritus. Im Jahre 973 war für den jungen böhmischen Staat die Diözese Prag gegründet worden. Bis dahin hatte ganz Böhmen zum Bistum Regensburg gehört. Dessen Bischof St. Wolfgang verzichtete auf Böhmen, um mit einem eigenem Bistum dort eine bessere Seelsorge zu gewährleisten. Als 983 der erste Bischof Thietmar, ein Sachse, starb, wählte man den jungen Adalbert zum Bischof. Vielleicht stand dahinter eine politische Absicht, um den Adligen aus dem Haus der Slavnikiden an den Prager Hof der Přemysliden so zu binden, wie der Kaiser im Reich die Bischöfe an sich band.

Das unchristliche Leben der Bewohner Böhmens, ihre Kämpfe untereinander, das Festhalten am heidnischen Aberglauben, Vielweiberei und Sklaverei, auch die ihm wegen seiner Reformstrenge entgegengebrachte feindliche Haltung des Klerus veranlassten den Reformbischof Adalbert, das Land zu verlassen und nach Rom zu gehen. Hier wurde er Mönch nach der Regel des hl. Benedikt. Auf Drängen des Mainzer Erzbischofs, zu dessen Kirchenprovinz Prag gehörte, und des Volkes in Prag kehrte Adalbert mit 40 Mönchen in die Heimat zurück, wo er im Jahre 993 das erste Benediktinerkloster in Brevnov bei Prag gründete. Schon bald verließ er aber ein zweites Mal Böhmen, weil sich die sittlichen Zustände in seinem Bistum nicht änderten. Er unternimmt eine Missionsreise nach Ungarn, wo er den Fürstensohn Stephan firmt. Als Bela ist Adalbert auch ein ungarischer Heiliger geworden.

Wieder geht er nach Rom, dann nach Mainz, weil er in Kaiser Otto III. einen Freund und Gleichgesinnten gefunden hatte. Adalberts Einfluss auf den jungen Herrscher war groß, ja er war gerade über Adalberts Tod hinaus noch entscheidend und prägend. Der Bischof besuchte damals auch Lüttich und andere Orte des Frankenreiches, ehe er sich wieder nach Prag begab. Hier hatten die Přemysliden seine Familie ausgerottet. Auf einer Missionsreise zu den heidnischen Pruzzen wird dann Adalbert bei Danzig erschlagen. Der Polenherzog kauft den Leichnam von den Mördern und lässt Adalbert in Gnesen bestatten. Erst 1039 wird sein Leichnam nach Prag überführt, wo es im Heiligenkalender ein eigenes Fest der translatio sancti Adalberti gab.

Durch sein Leben und Wirken ist Adalbert wahrhaft ein europäischer Heiliger: Kroaten, Tschechen, Deutsche, Ungarn und Polen verehren ihn. Städte wie Prag, Magdeburg, Verona, Rom, Monte Cassino, Mainz, Lüttich, Gran, Danzig und Gnesen sind mit diesem Heiligen verbunden und bewahren Erinnerungen an ihn. In Aachen ist ihm der Chor des Domes geweiht. Auch nach seinem Tode wirkt er weiter, wie vor allem das Geschehen bei der Pilgerfahrt Kaiser Ottos III. nach Gnesen zeigt.

Kaiser Otto III. wollte die Renovatio Imperii und die Christianisierung Europas. Modern übersetzt ist die Renovatio die Einigung Europas nicht in einen Zentralstaat, sondern in einen Staatenbund. Deshalb gibt der Kaiser Polen und Ungarn die Selbständigkeit. Durch das Christentum werden diese Länder ein Teil Europas. Über allem und allen Ländern aber steht der Kaiser als oberster Herr, dem auf einem uns erhaltenen Bild aus dem Kloster Reichenau Roma, Gallia, Germania und Sclavinia huldigen.

St. Adalbert heute

Der polnische Papst Johannes Paul II. hat bei seinem Bemühen um die Einigung und Neuevangelisierung Europas immer wieder auch auf den hl. Adalbert hingewiesen. Dies geschah schon im Jahre 1979, als Johannes Paul II. zum ersten Mal als Papst seine polnische Heimat sah und auch Gnesen besuchte. Seinen ersten Besuch in einem Ostblockland nach der Wende des Jahres 1989 machte er am Fest des hl. Adalbert 1990 in Adalberts Bischofsstadt Prag. Er verknüpfte diese Reise mit einem Besuch im mährischen Velehrad, wo er an die Slawenapostel Cyrill und Method erinnerte, die er bereits 1980 zu Konpatronen Europas erklärt und dem hl. Benedikt zur Seite gestellt hatte. Damals kündigte der Papst in Velehrad die außerordentliche Bischofssynode für das Jahr 1991 in Rom an, die sich dann mit der Neu-Evangelisierung Europas befasste und uns das Abschlussdokument schenkte: „Zeugen Christi sein, der uns befreit hat.“

Auch für das Jahr 1997 war es der Wunsch des Papstes wieder Prag besuchen, dazu auch Königgrätz, weil Adalbert im Gebiet dieser Diözese geboren ist. In Böhmen und Mähren hatte 1987 noch unter kommunistischer Herrschaft der damalige Prager Erzbischof Kardinal Frantisek Tomašek ein Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung ausgerufen. Damit wollte er, dass sich Böhmen und Mähren auf den 1000. Todestag des heiligen Adalbert vorbereite. Jedes Jahr stand seitdem nach einem Programm des Kardinals unter dem Schutz eines oder mehrerer Heiliger aus diesem Raum.

Es waren diese
1988 Agnes von Böhmen
1989 Klemens Maria Hofbauer und Johannes Nepomuk Neumann
1990 Norbert und Johannes Sarkander
1991 Zdislawa
1992 Ludmilla
1993 Johannes Nepomuk
1994 Wenzel
1995 Prokop
1996 Cyrill und Method
1997 Adalbert.

Einige dieser Heiligen sind zu Beginn des Jahrzehnts der geistlichen Erneuerung noch als Selige verehrt worden. Aber schon am 12. November 1988 sprach der Papst die selige Agnes von Böhmen heilig. 1995 kam er eigens nach Olmütz, um in der alten mährischen Bischofsstadt die Heiligsprechung des seligen Johannes Sarkander und der seligen Zdislawa vorzunehmen.

Für dieses geistliche Jahrzehnt entwarf Kardinal Tomašek auch ein Pastoralprogramm, in dem er für jedes Jahr ein Thema vorgab, das in Bezug zu den Heiligen stand:
1988 Fragen der Ehre und des Dienstes am Leben
1989 Fragen des Glaubens in der modernen Welt
1990 Fragen der Weihe des Lebens, der Sakramente und der Liturgie
1991 Fragen des Ehe- und Familienlebens
1992 Fragen der Kulturtradition und der Bildung
1993 Fragen der Gerechtigkeit und deren Verteidigung in der heutigen Welt
1994 Fragen der Arbeitsmoral und der gesellschaftlichen Verantwortung
1995 Fragen der Kultur, der Persönlichkeit und der Gesellschaft
1996 Fragen der Verkündigung des Evangeliums heute
1997 Christus der Herr – Erlöser und König des künftigen Zeitalters.

Kardinal Tomašek hatte damals zu Beginn dieses Jahrzehnts der geistlichen Erneuerung auch die mit dem heiligen Adalbert verbundenen Diözesen aufgerufen, dieses Dezennium ebenfalls zu begehen. Diesem Aufruf ist leider im übrigen Europa kaum Folge geleistet worden, und zwar ebenso wenig wie dem Aufruf des Papstes, Cyrill und Method als Konpatronen Europas einen gebührenden Platz zuzuweisen.

Wenn am 23. April 1997 zum Millenium seines Todes eine Briefmarke zu Ehren des heiligen Adalbert gleichzeitig in Deutschland, in der Tschechischen Republik, in Polen und Ungarn erschien, so war dies wirklich eine europäisches Ereignis. 1000 Jahre nach seinem Tode sagte uns St. Adalbert eine Reihe vergessener europäischer Wahrheiten. Er gibt uns eine Antwort, wer Europa gebaut hat: Es waren nicht Heerführer und Politiker, sondern unsere Heiligen Glaubensboten: Patrick, Bonifatius, Ansgar, Cyrill und Method und Adalbert. Sie schufen kein zentralistisches Europa, sondern ein Europa der Einheit in der Vielfalt, ein Europa des Föderalismus und der Subsidiarität, das gilt es heute zu bedenken, wenn die Gefahr eines Brüsseler Zentralismus viele Bürger europamüde macht.

St. Adalbert zeigt uns, dass Europa das wurde, was es ist, nur durch das Christentum wurde. Nicht die Zugehörigkeit zu einem Imperium, ob Ost- oder Westrom, sondern die Annahme des Christentums schuf dieses Europa. Das gilt für die Slawen ebenso wie für die Ungarn, die Skandinavier und die Balten. Das hat 1990 der Heilige Vater bei seinem ersten Besuch in einem Land des ehemaligen Ostblocks hervorgehoben. 1965 haben dies bereits die polnischen Bischöfe in Ihrem Brief an die deutschen Mitbrüder erklärt, als sie in ihrem Versöhnungsschreiben nicht nur betonten: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“, sondern auch die gemeinsamen Heiligen Europas als Brückenbauer hervorhoben: „ Brücken bauen zwischen Völkern können nur heilige Menschen, nur solche, die eine lautere Meinung und reine Hände haben. Sie wollen dem Brudervolk nichts wegnehmen, weder Sprache, noch Gebräuche, noch Land, noch materielle Güter. Im Gegenteil: Sie bringen ihm höchst wertvolle Kulturgüter, und sie geben ihm gewöhnlich das Wertvollste, was sie besitzen: sich selbst.“

Das gilt vom hl. Adalbert ebenso wie von der hl. Hedwig, von König Stephan und dem hl. Johannes Nepomuk. Wir wollen ein gemeinsames Europa. Es wird nicht nur erbaut werden durch Politiker, nicht durch Subventionen, Milchquoten und die Euroflasche, sondern durch Christen auf die Fürsprache großer Heiliger. St. Adalbert, bitte für uns um dieses Europa!

Rudolf Grulich
Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien e.V. Haus Königstein Alte Burgstraße 4 61169 Friedberg/H. (Ockstadt) Tel. +49(0)6031-7916309 u. 7918226 FAX +49(0)6031-7916544

Wallfahrt ins Sudetenland (Doku von 1969)

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