In dieser ehemaligen Kathedrale erklang Ende März erneut der Ruf des Muezzins zum Gebet. Dies war bereits das zweite Mal in der jüngeren Vergangenheit: 2016 war nach 85-jähriger Unterbrechung der islamische Gebetsruf in der Basilika zu hören.
Über die Hintergründe hat Christophe Lafontaine von KIRCHE IN NOT mit dem französischen Historiker und Türkei-Experten Etienne Copeaux gesprochen. Copeaux war unter anderem Mitarbeiter des Französischen Instituts für anatolische Studien in Istanbul und setzt sich in einem Blog mit den Entwicklungen in der Türkei auseinander.
Diese Geste machte die Basilika zu einem Symbol des Islam. Atatürk, der Gründer und erste Präsident der türkischen Republik, hat 1934 entschieden, die Hagia Sophia zu säkularisieren und sie in ein Museum zu umzuwandeln.
Als der politische Islam von 1996 bis 1997 wieder an die Macht kam, versprach Premierminister Necmettin Erbakan, die Basilika dem Islam zurückzugeben. Er blieb nicht lange genug an der Macht, um diesen Plan zu verwirklichen.
Zur selben Zeit war Recep Tayyip Erdogan Bürgermeister von Istanbul und formulierte dieselben Absichten. Doch er wurde 1998 durch die Armee abgesetzt und sogar wegen „Verletzung der Laizität“ inhaftiert.
So ist auch das Gebet vom vergangenen März in meinen Augen ein (für den Augenblick) bescheidenes Ergebnis eines langen Prozesses. Vor allem darf man das Regime von Erdogan nicht als einen Bruch betrachten, sondern es ist Teil einer langen national-islamischen Geschichte.
Aber der Erfahrung nach sind die Treffen zwischen dem Patriarchen und den türkischen Behörden oft sehr diplomatisch. Wird die griechische und russische Orthodoxie passiv bleiben, wenn die Basilika wie im Jahr 1453 der muslimischen Religionsausübung überlassen werden sollte?
Angesichts des komplizierten Kontextes der Beziehungen mit Russland aufgrund des Syrienkonflikts ist das ziemlich unwahrscheinlich.
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