Im „Niniveh Reconstruction Comitee“ (Ninive-Wiederaufbaukomitee) in Karakosch, einer Kleinstadt 32 Kilometer südöstlich von Mossul, laufen die Fäden für den Wiederaufbau zusammen. Ins Leben gerufen hat dieses Wiederaufbaukomitee KIRCHE IN NOT zusammen mit verschiedenen christlichen Kirchen vor Ort.
Der finanzielle wie logistische Aufwand sind enorm: Die Gesamtkosten für den Wiederaufbau werden auf rund 250 Millionen US-Dollar geschätzt. Der Grad der Zerstörungen ist hoch. Noch tiefer sind die Wunden in den Herzen der Bewohner.
„Als ich März 2017 zum ersten Mal nach der Befreiung wieder nach Karakosch kam, habe ich geweint, als ich die Verwüstungen sah“, erzählt Sabah Zakari. Der 60-Jährige leitet ein Team von 70 Ingenieuren, um den Wiederaufbau technisch zu koordinieren.
Es geht nicht nur darum, die Verwüstungen, die der IS hinterlassen hat, jeden Tag ein wenig mehr vergessen zu machen. Es geht vor allem darum, die Lebensgrundlagen für die Christen im Irak wiederherzustellen.
„Häuser sind nicht alles, aber ohne bewohnbare Häuser ist alles nichts“, gibt Zakari zu bedenken. Genauso wichtig sei es, Sicherheit für die Bewohner zu gewährleisten oder Arbeitsplätze zu schaffen. Aber das alles hängt damit zusammen, wie schnell der Wiederaufbau vorankommt.
Und das tut er: Mitte Juli waren bereits über ein Drittel der beschädigten Häuser wieder instand gesetzt und über 40 Prozent der vertriebenen Christen wieder zurückgekehrt. „Die Mühen sind nicht umsonst“, ist Zakari überzeugt. „Es ist eine so große Freude zu erleben, wie immer mehr Leben in unsere Heimat zurückkehrt.“
Tatsächlich ist Karakosch – einst die größte christliche Stadt des Irak mit 50 000 Einwohnern – heute wieder pulsierendes Zentrum der Region: Läden haben wieder geöffnet; Händler bieten Fleisch, Gemüse und Haushaltswaren an. Autos und Fußgänger kämpfen um Vorfahrt.
Viele Menschen packen beim Wiederaufbau an, andere haben schon wieder kleinere Anstellungen gefunden. Auch in die Cafés kehrt Leben zurück: Männer spielen dort Karten oder Brettspiele. Vor kurzem hat sogar ein italienisches Restaurant geöffnet. „Die Normalität ist zu 80 Prozent wieder zurück“, sagt Zakari freudig.
Sicher: Die Straßen sind noch übersät mit Schlaglöchern. Staatliche Hilfe gibt es so gut wie keine. Die Bewohner sind auf sich allein gestellt. Doch der Zusammenhalt ist groß: Den Ingenieuren im Wiederaufbauzentrum stehen zum Beispiel eine Gruppe junger Leute zur Seite.
Einer von ihnen ist Amjeed Tareq Hano, 28 Jahre alt. Gut gelaunt sitzt er in seinem Büro – trotz oder gerade wegen der hohen Aktenstapel auf dem Schreibtisch. „Das sind die Hilfsanträge von privaten Eigentümern, die ihre Häuser wiederaufbauen möchten“, erklärt Amjeed.
Die Unterstützung hänge davon, wie schwer die Gebäude beschädigt sind – und von zwei Bedingungen: „Die Besitzer müssen selbst im Haus wohnen und bei der Renovierung mit anpacken. So sparen wir Kosten und können mehr Menschen helfen.“
Der junge Mann hat sich bereits ehrenamtlich engagiert, als er selbst noch Flüchtling in Ankawa war, einem Stadtteil der kurdischen Hauptstadt Erbil. Der gelernte Krankenpfleger arbeitete in den Notarztpraxen mit, die für die Vertriebenen eingerichtet worden waren.
„Ohne die Unterstützung der Kirche hätten wir damals nicht überleben können“, ist Amjeed überzeugt. „Und so ist es auch jetzt noch: Würde KIRCHE IN NOT nicht helfen, ginge hier nichts voran.“
Dass er mit seinen Eltern und fünf Geschwistern im August 2017 wieder in die Ninive-Ebene zurückgekehrt ist, bereut Amjeed nicht – auch wenn der Alltag sehr schwer sei.
Das beginne schon bei der Wasserversorgung. Da es keine funktionierenden Leitungen mehr gibt, muss es aus Tanks abgefüllt werden. Das Wasser riecht penetrant nach Chlor. „Wir müssen es erst abkochen, ehe wir es trinken können“, erklärt Amjeed.
Ebenso schwierig sei es mit dem Strom. Die Versorgung wird durch Generatoren aufrechterhalten. Diese sind jedoch störanfällig. Manchmal gebe es einen halben Tag lang keinen Strom.
Doch all diese Widrigkeiten können Amjeed nicht entmutigen: „Natürlich ist es nach wie vor schwierig und unsicher, im Irak zu leben. Aber Heimat ist Heimat.“ Viele Freunde und Verwandte des jungen Mannes versuchen ihr Glück im Ausland, vor allem in Australien.
Dort gibt es eine große Auslandsgemeinde irakischer Christen. „Ich vermisse sie sehr. Sie fehlen hier im Irak.“ Schon oft hätten ihn Freunde aufgefordert, es ihnen gleich zu tun und den Irak ebenfalls zu verlassen. Doch das kommt für Amjeed nicht infrage: „Mit Gottes Hilfe will ich mein Leben in meiner Heimat, dem Irak, verbringen. Ich danke allen, die das möglich machen.“
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