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Ukraine: „Wir sind auf einen plötzlichen Tod vorbereitet“

Ukraine: „Wir sind auf einen plötzlichen Tod vorbereitet“

Bischof von Charkiw berichtet aus der umkämpften Stadt

28.07.2022 aktuelles
„Wir sind hier sehr nah an der Front – zwanzig Kilometer, um genau zu sein. Es gibt Angriffe am Vormittag, am Nachmittag und in der Nacht.“ Das teilte der römisch-katholische Bischof Pawlo Honcaruk aus Charkiw im Osten der Ukraine dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ in einem Gespräch mit. Vor wenigen Tagen seien keinen Kilometer von seinem Aufenthaltsort entfernt Bomben eingeschlagen. Er sei wie viele Einwohner darauf gefasst, dass jeder Tag sein letzter sein könne: „Ich weiß, dass ich das Geschoss nicht hören werde, das mich trifft. Wenn ich also eine Explosion höre, heißt das, dass ich noch lebe. Wir sind auf einen plötzlichen Tod vorbereitet.“

 

Über die Hälfte der Einwohner sind aus Charkiw geflohen

 

In der zweitgrößten Stadt der Ukraine lebten vor Beginn des russischen Angriffskrieges etwa 1,7 Millionen Menschen, heute seien es noch 700.000, teilte der Bischof „Kirche in Not“ mit. Andere Städte wie Slowjansk oder Kramatorsk, die mitten im Kriegsgebiet liegen, seien nahezu menschenleer. Frauen und Kinder suchten Zuflucht bei Verwandten auf dem Land oder zögen weiter ins Landesinnere.

Ein zerstörtes Haus in Solotschiw bei Charkiw, in dem sich eine Kapelle befunden hatte. © KIRCHE IN NOT
In Charkiw seien schätzungsweise 15 Prozent der Wohngebäude und der Infrastruktur zerstört, sagte Bischof Honcharuk: „Manchmal haben die Menschen nur noch das, was sie am Leib tragen, weil alles verbrannt ist. Sie brauchen Kleidung, Schuhe und Medikamente. Es liegen so viele Aufgaben vor uns.“ Es herrsche einerseits ein Gefühl der Hilflosigkeit, andererseits versuchten die Einwohner die Normalität so lange wie möglich aufrecht zu erhalten: „Die Unternehmen, die in der Lage dazu sind, führen ihren Betrieb fort. Auch Krankenhäuser und die städtischen Versorgungsunternehmen arbeiten immer noch.“

 

Auch Schulen und Universitäten arbeiteten weiter; man könne an einigen Automaten noch Geld abheben. Polizei und Feuerwehr seien „vollständig funktionstüchtig“: Häufig seien 24 Stunden nach einem Angriff auf ein Haus oder eine Straße bereits alle Trümmerteile beseitigt.

Ein Priester verteilt an der römisch-katholischen Kathedrale von Kiew Lebensmittel. © KIRCHE IN NOT

„Zeichen der Nähe Gotte“ in einer hoffnungslosen Situation

 

Diese aufopferungsvolle Arbeit und den Zusammenhalt der Bevölkerung sieht der Bischof als „Zeichen der Nähe Gottes“. Auch Priester, Ordensleute und ehrenamtliche Helfer seien unermüdlich tätig: „Unsere Kirche lebt und ist aktiv. Sie steht den Menschen zur Seite, den Alten und den Kindern, genauso wie sie den Soldaten hilft, die unser Heimatland verteidigen.“ In Charkiw nähmen sich Mitarbeiter der Diözese und Ordensleute der Menschen an, die aus den zerstörten Dörfern nach wie vor nach Charkiw kommen, „obwohl die Stadt jeden Tag unter Beschuss steht“.

 

Angesichts der seit über fünf Monaten andauernden Kämpfe seien viele Menschen abgestumpft gegenüber den ständigen Gefahren, stellt Honcharuk fest: „Bei Beginn des Krieges haben die Menschen bei Luftangriffen die Schutzräume nicht verlassen. Viele blieben sogar dauerhaft dort. Ich bemerke, dass viele Menschen mutiger geworden sind. Die müde Psyche beginnt, das Gefühl der Gefahr zu unterdrücken.“

Die Kathedrale von Charkiw dient aktuell als Lager für Hilfsgüter. © KIRCHE IN NOT
Das täglich erfahrene Leid drohe auch ihn bisweilen zu überwältigen, sagte Bischof Honcharuk im Gespräch mit „Kirche in Not“: „Das Böse ist so groß und zynisch. Kriege lassen sich sehr leicht auslösen, aber wie kann man sie wieder beenden?“
„Kirche in Not“ hat seit Beginn des Ukraine-Krieges mehrere Hilfspakete aufgelegt, um die Arbeit von Priestern, Ordensfrauen und freiwilligen Helfern in Pfarreien, Flüchtlingslagern, Waisenhäusern und Altenheimen zu unterstützen. Helfen Sie den Menschen in der Ukraine mit Ihrer Spende – online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT

LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02

BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Nothilfe Ukraine

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