„Ich verstehe die Länder nicht, die Sanktionen verhängen“
Die Ordensfrau wies auf die desolate Lage der Infrastruktur hin: Viele Menschen hätten nur ein bis zwei Stunden am Tag Strom, die Wasserversorgung sei unterbrochen. Die Löhne könnten mit den enorm gestiegenen Preisen nicht mithalten: „Ein Familienvater in Aleppo verdient durchschnittlich umgerechnet um die 30 Euro. Allein die Miete beträgt aber 40 bis 50 Euro; in der Hauptstadt Damaskus sogar noch mehr. Wie soll das funktionieren?“ Viele Menschen seien der Situation überdrüssig; die Auswanderungswelle setze sich fort.
„Ich weiß nicht, was ohne Hilfe der Kirche mit unserem Volk geschehen würde“
Die Kirchen Syriens leisteten eine „großartige Arbeit“, um die schlimmsten Nöte zu lindern und weitere Auswanderungen zu stoppen, erklärte Schwester Annie: „Ich weiß nicht, was ohne die Hilfe der Kirche mit unserem Volk geschehen würde, vor allem wenn wir an die Präsenz der Christen denken.“ Die Ordensfrau schätzt, dass im Vergleich mit der Zeit vor dem Krieg nur noch etwa ein Drittel der Christen in Syrien geblieben seien.
Das Engagement von Schwester Annies Gemeinschaft erstreckt sich deshalb auch auf den Libanon, wo sich nach wie vor viele syrische Flüchtlinge aufhalten. Im syrischen Aleppo konzentriert sich die Hilfe auf rund 300 mittellose Familien. Die Ordensfrauen leisten Beihilfen für die Miete und versorgen sie mit Lebensmitteln und Medikamenten. Diese seien nach wie vor ein besonders rares Gut, erzählt Schwester Annie: „Ich weiß von vielen Menschen, dass sie ihre Medikamente nur alle paar Tage einnehmen. Sie strecken sie, damit sie möglichst lang den Bedarf decken können.“
Die Ordensfrauen bieten außerdem Musik- und Kunsttherapie für traumatisierte Kinder an: „Das Trauma, das unsere Kinder erlitten haben, ist sehr stark, besonders bei denen, die während des Krieges geboren wurden“, sagte Schwester Annie. Ein weiteres Augenmerk liege auf dem Bereich Arbeit und Bildung: Die Ordensfrauen unterstützen Studentinnen und die Förderung künftiger Führungskräfte, zum Beispiel mit Stipendien und Kleinkrediten. Es gibt auch spezielle Kurse zur Berufsförderung, an denen bislang etwa 400 Personen teilgenommen haben. In der Kleinstadt Maalula im Südwesten Syriens nahe der libanesischen Grenze hat die Gemeinschaft von Schwester Annie eine Nähwerkstatt aufgebaut, in der über 20 Frauen Arbeit und Lohn finden.
Das Geld für diese und weitere Projekte stammt unter anderem von „Kirche in Not“. Trotz der sehr schwierigen Situation sei die Hoffnung unter den syrischen Christen sehr lebendig, betont Schwester Annie: „Die Hoffnung ist immer da. Unser Glaube ist während des Krieges noch stärker geworden, weil die Barmherzigkeit und Vorsehung Gottes erlebt haben. Wir bekommen oft unverhofft Hilfe.“
Das Interview ist danach auch auf der Mediathek von „Kirche in Not“ abrufbar: www.katholisch.tv
Empfänger: KIRCHE IN NOT
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Verwendungszweck: Syrien
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