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Russland: „Schwester, bitte verlassen Sie mich nicht!“

Russland: „Schwester, bitte verlassen Sie mich nicht!“

Ordensfrauen in Sibirien stehen Menschen in der Corona-Krise bei

25.06.2020 aktuelles
Erkrankt sind nur wenige Menschen; von Kontaktbeschränkungen und den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie aber sind alle Einwohner der westsibirischen Millionenstadt Nowosibirsk betroffen.

 

Vor allem setzen sie denjenigen zu, die schon vor der Krise zu den Menschen am Rand der Gesellschaft gehörten: arme, arbeitslose und alte Menschen sowie Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen. Ihnen allen gilt das besondere Augenmerk der Ordensschwestern in der römisch-katholischen Diözese Nowosibirsk.

Nowosibirsk ist mit 1,6 Millionen Einwohner die drittgrößte Stadt Russlands. Sie liegt mehr als 3000 Kilometer östlich von Moskau und ist eine Station der Transsibirischen Eisenbahn.
Den ersten bestätigten Covid-19-Fall hat Russland bereits am 20. Januar verzeichnet. Über eine halbe Million Erkrankungen und mehr als 8000 Todesfälle sind seither registriert – die Dunkelziffer liegt wohl um etliches höher.

 

Zentrum der Pandemie ist Moskau, aber auch in Sibirien breitet sich die Krankheit aus. Allein im Stadtgebiet von Nowosibirsk wurden bis Mitte Juni über 4500 Erkrankungen gemeldet, 62 Menschen sind gestorben. Auch schon vor der Pandemie war die Arbeit der Ordensfrauen in der katholischen „Diözese der Verklärung“ eine Herkulesaufgabe.

Junge Ordensschwestern aus Russland.
Die aus Polen stammende Vinzentinerin Schwester Theresa Witschling fasst es so zusammen: „Sibirien ist eine Region, die die Menschen ‚ein Haus ohne Dachʼ nennen. Es ist ein Landstrich, der in seiner Geschichte ungezählte verbannte und zwangsumgesiedelte Menschen aufgenommen hat. Viele von ihnen starben an Hunger, Zwangsarbeit oder Kälte. Der lange kalte Winter und die kurzen heißen Sommer machen sofort klar: Hier lebt es sich schwer.“

 

Bistum ist sechsmal größer als Deutschland

Weniger als eine Million Katholiken, meist mit ukrainischen, polnischen oder deutschen Wurzeln, leben auf dem Gebiet der westsibirischen Diözese. Sie umfasst eine Fläche von zwei Millionen Quadratkilometer – fast sechsmal größer als Deutschland. Etwa 40 Priester betreuen 70 Gemeinden. Riesige Entfernungen müssen sie zurücklegen.

Ohne die Hilfe der Ordensschwestern wäre die seelsorgerische Begleitung der weit verstreut lebenden Gläubigen gar nicht denkbar.

Schwestern aus Russland im Gespräch mit Gemeindemitgliedern.
Deshalb ist Schwester Theresa im Jahr 2015 zusammen mit zwei Mitschwestern trotz der unwirtlichen Bedingungen nach Sibirien gekommen. Seither betreuen die Vinzentinerinnen in Slawgorod, etwa 400 Kilometer südwestlich von Nowosibirsk, ein staatliches und ein kirchliches Kinderzentrum.

 

Viele Kinder aus Familien ohne elterliche Fürsorge

„Die meisten der Kinder kommen aus Familien, in denen es an elterlicher Fürsorge fehlt. Ob nun beide Eltern den ganzen Tag für wenig Lohn arbeiten, oder ob ein Elternteil monatelang im Ausland schuftet, um das Überleben der Familie zu sichern: Die Kinder bleiben viel zu oft sich selbst überlassen“, erklärt Schwester Theresa.

Die Ordensfrauen machen mit den Kindern Hausaufgaben, bieten verschiedene Projekte an und sorgen dafür, dass hundert Kinder ein Mittagessen bekommen – häufig die einzige richtige Mahlzeit des Tages. Zweimal im Jahr laden sie die Kinder zu religiösen Sommerferienlagern ein, den sogenannten „Ferien mit Gott“.

Die Vinzentinerinnen kümmern sich in Slawgorod (Bistum Nowosibirsk) um Kinder aus Familien, in denen es an elterlicher Fürsorge fehlt. Sie machen mit den Kindern Hausaufgaben und sorgen dafür, dass rund 100 Kinder ein Mittagessen bekommen. Zweimal im Jahr laden sie zu religiösen Sommerferienlagern ein.
KIRCHE IN NOT unterstützt diese und andere Aktionen seit vielen Jahren. Auch alle anderen Schwesterngemeinschaften der Diözese Nowosibirsk und anderen katholischen Bistümern in Russland erhalten Hilfe – auch, um ihr Überleben zu sichern. Bliebe die Hilfe aus, wäre „das nicht nur eine Enttäuschung, sondern eine Katastrophe“, sagt der zuständige Bischof Joseph Werth.

 

„Unsere Arbeit ist komplizierter geworden“

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Arbeit der Ordensfrauen entscheidend geändert. „Auch unsere Arbeit ist komplizierter geworden“, erzählt Schwester Theresa. „Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren oder ihr geringes Gehalt wurde auch noch gekürzt. Sie klopfen bei uns an und bitten um Hilfe, wenigstens um ein Stück Brot für die Kinder.“

Sakramentaler Segen während der Corona-Pandemie bei den Vinzentinerinnen in Slawgorod.
Die Schwestern haben begonnen, Schutzmasken zu nähen – sie sind in der ganzen Region Mangelware – und an ihre Schützlinge zu verteilen. Vor allem obdachlose Menschen in Slawgorod schätzen die Ordensfrauen sehr.

 

Mund-Nase-Schutzmasken sind Mangelware

Schwester Theresa erklärt, warum: „All diese Menschen haben ihre schmerzhaften Erinnerungen und seelischen Verletzungen. Sie kommen nicht nur wegen materieller Hilfe zu uns. Sie sind einfach dankbar für ein bisschen Herzlichkeit und Wärme.“

Es ist aber nicht nur das, was den Menschen Trost und Hoffnung gibt, so Schwester Theresa: „Wir danken Gott dafür, dass wir jeden Tag die Möglichkeit haben, die Eucharistie zu feiern. Als Reaktion auf die Pandemie halten wir täglich eucharistische Anbetung. An deren Ende geht der Priester mit der Monstranz auf die Straße und segnet die Stadt.“

Angeliken-Schwestern aus Surgut im sibirischen Winter. Die kalte Jahreszeit dauert lange an, die Sommer sind dagegen oft heiß.
In Surgut, 1000 Kilometer Luftlinie nördlich von Nowosibirsk, sind zwei polnische Angeliken, auch „Engelsschwestern“ genannt, leibhaftige Engel für die 140 Obdachlosen in einem Heim zur sozialen Rehabilitierung. Sie organisieren Kleider- und Lebensmittelsammlungen. Das ist gerade jetzt überlebenswichtig.

 

Kleider- und Lebensmittelsammlungen für bedürftige Menschen

Während der Corona-Pandemie vermissen viele Gläubige, dass sie nicht an den Gottesdiensten teilnehmen können. Deshalb übertragen die Engelsschwestern in Surgut täglich die heilige Messe im Internet und senden einen geistlichen Impuls für den Tag. „So bleiben wir in Kontakt“, so Schwester Tereza.

Wie die meisten Kongregationen haben auch die „Dienerinnen des Herrn und der Jungfrau von Matara“ in Omsk ihre Tätigkeit ganz in die virtuelle Welt verlegt. Sie geben Religionsunterricht per Videokonferenz, drehen mit einigen Jugendlichen aufmunternde Clips und entwickeln eine rege pädagogische Tätigkeit.

Elisabethschwestern aus Russland.
„Damit wollen wir die Jugendlichen auch in Coronazeiten anregen, über Gottes Wort nachzudenken. Wir beten, dass sogar diese schlimme Zeit uns und alle Menschen dazu bringt, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu Gott und dem Nächsten zu wachsen“, erläutert die Oberin, Schwester Maria Glum.

 

Schwestern können pflegebedürftige Menschen nicht besuchen

Aber auch an die Menschen ohne Internet und Smartphone ist gedacht, zum Beispiel von den Elisabethschwestern in Nowosibirsk. Sie können aktuell alte und pflegebedürftige Gemeindemitglieder nicht besuchen, schreiben die Ordensfrauen an KIRCHE IN NOT.

Sie erklären: „Durch unsere regelmäßigen Besuche waren wir zu Freunden geworden. Oft sagten sie uns beim Abschied: ‚Verlassen Sie mich nicht, Schwester. Kommen Sie bald wieder!‘“ Um die aktuelle soziale Isolierung zu überwinden, hilft das Telefon. Damit halten auch die Elisabethschwestern in Nowosibirsk Kontakt mit all den Menschen, die noch nicht im weltweiten Netz zu Hause sind.

Eine Schwester der Gemeinschaft von Bethanien in Ischim besucht eine pflegebedürftige Frau.
Die Karmelitinnen in Nowosibirsk, die einzige kontemplative Gemeinschaft der Diözese, setzen der Pandemie das Stärkste entgegen, das Christen haben – das Gebet.

 

Schwestern danken für die Hilfe von KIRCHE IN NOT

Die Schwestern Teresamaria, Christina und Agnija schreiben an KIRCHE IN NOT: „Wir beten um die Heilung der Erkrankten, Trost für die Leidenden und Schutz vor Ansteckung.

Wir schließen in unsere Gebete auch die Wissenschaftler ein, die an der Entwicklung von Medikamenten und einem Impfstoff arbeiten und vergessen nicht die Regierenden, die weitreichende Probleme lösen müssen. Mit Dankbarkeit für die Hilfe, die wir von Ihnen empfangen, bringen wir dem Herrn unser Gebet immer auch für KIRCHE IN NOT und seine Wohltäter.“

Gruppenfoto mit Ordensschwestern aus Russland.
Um die Arbeit der Ordensfrauen in der Diözese Nowosibirsk und in anderen katholischen Bistümern Russlands weiterhin unterstützen zu können, bitten wir um Spenden – entweder online oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Russland

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