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Nuntius in der Ukraine: „Der Papst tut alles, um diesen Krieg zu beenden“

Nuntius in der Ukraine: „Der Papst tut alles, um diesen Krieg zu beenden“

09.03.2022 aktuelles
Erzbischof Visvaldis Kulbokas ist als Apostolischer Nuntius der Vertreter des Papstes in der Ukraine. Der gebürtige Litauer hat sein Amt erst vor wenigen Monaten angetreten. Nun ist er mit der Koordination der kirchlichen Hilfe für die notleidende Bevölkerung und mit den diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls um Frieden betraut. Maria Lozano von KIRCHE IN NOT hat mit Nuntius Visvaldas Kulbokas über die aktuelle Lage gesprochen.

 

MARIA LOZANO: Sie befinden sich am Sitz der Nuntiatur in Kiew. Wie ist die Situation im Moment dort?
ERZBISCHOF VISVALDAS KULBOKAS:
Es gibt Tag und Nacht Bombenangriffe auf verschiedene Stadtviertel. Die Nuntiatur liegt etwas außerhalb; wir wurden noch nicht bombardiert, aber es gab Straßenkämpfe ganz in der Nähe. Im Gegensatz zu Städten wie Charkiw oder Mariupol herrscht hier noch eine gewisse Ruhe. Niemand weiß, was die kommenden Tage bringen werden. Doch die humanitäre Situation ist hier wie auch in anderen Regionen der Ukraine sehr schlimm.

Menschen in einem Schutzkeller in der Ukraine.
Wie sieht es mit der Versorgung der Menschen in Kiew aus?
Wir haben bereits vor Kriegsausbruch Vorkehrungen getroffen. Gott sei Dank konnten in den vergangenen Tagen einige Hilfsgüter nach Kiew gelangen. Zudem gibt es Organisationen und freiwillige Helfer, die Lebensmittel aus anderen Regionen in die Hauptstadt bringen. Es wird alles kostenlos verteilt. Die Solidarität ist wirklich grenzenlos. Aber es ist schwierig abzuschätzen, wie lange sich die einzelnen Familien über Wasser halten können.

- Erzbischof Visvaldas Kulbokas, Nuntius in der Ukraine
Wie würden Sie die Zusammenarbeit von kirchlichen und zivilen Hilfskräften in diesen Tagen beschreiben?
Als der Krieg begann, gab es noch wenig organisatorische Vernetzung. Jetzt sind alle besser aufgestellt: Humanitäre Organisationen, Christen aller Konfessionen und Muslime versuchen herauszufinden, wo die Not am größten ist und verteilen die Lebensmittel. Sie versuchen, Menschen in besonders prekären Situationen zu evakuieren – zum Beispiel aus Gegenden, wo es keinen Strom oder keine Heizung gibt.

 

Da sich die russischen Streitkräfte dem Zentrum von Kiew zu nähern scheinen, sind die humanitären Organisationen in den vergangenen Tagen noch aktiver geworden. Es ist sehr schwierig, von einem Ort zum anderen zu gelangen, weil es alle paar Meter Kontrollposten gibt. Dazu kommt die nächtliche Ausgangssperre.

Verteilung von Hilfsgütern in Iwano-Frankiwsk.
Wie erleben Sie die Stimmung der Menschen in Kiew?
Es herrschen große Sorge und Angst, aber ich würde die Stimmung als sehr „mutig“ beschreiben. Wir spüren, dass wir diese Tragödie gemeinsam bewältigen und uns gegenseitig helfen müssen. Ich bemerke bei vielen Menschen Optimismus, vor allem bei den Priestern und Ordensschwestern, denen ich begegne. Aber das ist natürlich bei kranken Menschen, Schwangeren oder jungen Müttern ganz anders.

 

Wie sieht Ihre Arbeit in der Nuntiatur aktuell aus?
Ich werde von sehr vielen Menschen kontaktiert; es erreichen mich viele Angebote und Bitten um humanitäre Hilfe. In Regionen wie dem Zentrum von Kiew ist die Logistik sehr schwierig. Wir versuchen, das von hier aus zu koordinieren und die Hilfsbedürftigen und die Helfer zusammenzubringen.

- Erzbischof Visvaldas Kulbokas, Nuntius in der Ukraine
Der Krieg lag seit Wochen in der Luft, aber viele Menschen glaubten nicht, dass er tatsächlich kommen würde. Was war Ihre erste Reaktion am 24. Februar?
Die Befürchtungen, dass der Krieg kommen würde, war sehr groß. Es gab viele Anzeichen dafür. Aber das jetzt zu erleben, ist schockierend und surreal. Deshalb sage ich zu mir selbst und zu den Gläubigen, dass unsere „Hauptwaffen“ die Hingabe an Gott, die Solidarität und die Nächstenliebe sind. Wir können das Böse in diesem Krieg nur gemeinsam überwinden – mit Gebet, Demut und viel Liebe.
Beschossenes Haus im Stadtviertel Trojeschtschina in Kiew.
Würden Sie sagen, dass dieser Krieg neben politischen und territorialen Gründen auch eine religiöse Komponente hat? Darauf wird ja vereinzelt hingewiesen.
Ich halte das für falsch. Der Rat der Kirchen und religiösen Organisationen in der Ukraine beispielsweise ist im Moment stark geeint. Die Menschen sind einander nahe und helfen einander. Das heißt nicht, dass die Schwierigkeiten verschwunden sind. Denn es ist ganz klar, dass in der Vergangenheit interreligiöse Missverständnisse eine Rolle gespielt haben.

 

Nur halte ich es für unmöglich, mit diesem Argument einen Krieg zu begründen. Ich beobachte mit Erstaunen, dass die Schwierigkeiten, die ich vorher erlebt habe, kleiner geworden sind. Diese Tragödie eint das ukrainische Volk.

Eine ukrainische Ordensfrau verteilt Lebensmittel.
Papst Franziskus hat am vergangenen Sonntag angekündigt, dass er die beiden Kardinäle Konrad Krajewski und Michael Czerny in die Ukraine entsendet. Wie empfinden Sie die Unterstützung des Papstes?
Die Äußerungen zeigen, dass der Papst alles tut und tun wird, um diesen Krieg zu beenden. Ich weiß, dass der Papst und seine Mitarbeiter alle Wege prüfen, die der Kirche möglich sind – geistliche und diplomatische. Ich bin mehrmals am Tag mit dem Vatikan in Kontakt.

 

Wir denken ständig darüber nach, was der Papst direkt oder durch seine Mitarbeiter noch tun kann. Ein Schritt war die Entsendung der beiden Kardinäle. Am Dienstag ist Kardinal Krajewski in der Ukraine eingetroffen, um Unterstützung zu bringen und um zu sehen, wie wir die humanitäre Hilfe und mit ihr die Präsenz des Papstes umsetzen können.

 

„Jede Hilfe, die uns erreicht, ist wertvoll”

KIRCHE IN NOT hat nach Kriegsausbruch ein erstes Hilfspaket in Höhe von über einer Million Euro geschnürt, um vor allem die Arbeit der Priester und Ordensschwestern in der Ukraine zu unterstützen. Wie wichtig ist diese Hilfe Ihrer Meinung nach?
Jede Hilfe, die uns erreicht, ist wertvoll. Es ist schwierig abzuschätzen, wie hoch der Bedarf in Zukunft sein wird. Schon jetzt gibt es viele beschädigte Gebäude. Auch auf struktureller und organisatorischer Ebene wird es viel zu tun geben, da hunderte von Schulen, Krankenhäusern und Wohnungen zerstört sind. Der Bedarf wird enorm sein. Das wird sehr lange dauern.

Ihre Spende für die Ukraine

Unterstützen Sie den Einsatz der Kirche im Krieg in der Ukraine mit Ihrer Spende – online oder auf folgendes Konto:

 

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Nothilfe Ukraine

Als Reaktion auf den Kriegsausbruch in der Ukraine hat KIRCHE IN NOT ein Nothilfe-Paket in Höhe von aktuell mehr als eine Million Euro auf den Weg gebracht. Das Geld komme nach Aussage des Geschäftsführenden Präsidenten von KIRCHE IN NOT, Dr. Thomas Heine-Geldern, Priestern und Ordensleuten zugute, die im ganzen Land in den Pfarreien, bei den Flüchtlingen, in Waisenhäusern und Altenheimen arbeiten.

KIRCHE IN NOT ruft auch zu Gebeten um Frieden in der Ukraine auf und hat dazu ein Gebetsblatt veröffentlicht. Download- und Bestellmöglichkeit unter: www.kirche-in-not.de/shop.

Beten Sie für die Menschen in der Ukraine

Bitte schließen Sie die Menschen in der Ukraine in Ihr Gebet ein und beten Sie für eine friedliche und diplomatische Lösung der aktuellen Spannungen. Stellen Sie in unserer virtuellen Kapelle eine Kerze auf.

 

Besonders werden wir in unseren Mittagsgebeten der Menschen in der Ukraine in den Gebeten gedenken sowie am Freitag um 18:30 Uhr in einer besonderen Andacht. Schließen Sie sich bitte an, damit der Glaube lebt und unser Gebet stärker sein möge als Waffen.

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