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Nigeria: „Die Notlage der Menschen ist den Politikern gleichgültig“

Nigeria: „Die Notlage der Menschen ist den Politikern gleichgültig“

15.03.2023 aktuelles
Remigius Ihyula, Projektpartner von KIRCHE IN NOT, leitet die Stiftung für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden der Diözese Makurdi im Bundesstaat Benue im Südosten Nigerias. Die Region leidet besonders unter dem Terror der Fulani. Die Stiftung kümmert sich um die Betreuung von Binnenvertriebenen, bei denen es sich meist um Einzelpersonen und Familien handelt, die durch die Gewalt der Fulani entwurzelt wurden.

 

KIRCHE IN NOT unterstützt die Ortskirche bei der Hilfe für Binnenvertriebene in 14 Lagern und 13 Gemeinden, die diese aufnehmen. Neben der seelsorgerischen Betreuung bietet die Kirche auch Traumaberatung, Stipendien für Kinder zur Fortsetzung ihrer Schulausbildung sowie Lebensmittel und andere Formen der humanitären Hilfe an.

In einem Gespräch mit KIRCHE IN NOT erläutert der Priester Remigius Ihyula die Situation und weist auf das Versagen der Regierung hin, die Gewalt zu stoppen.

Remigius Ihyula, Koordinator der Stiftung für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden, und KIRCHE-IN-NOT-Mitarbeiterin Patience Ibile mit Flüchtlingen in einem Camp in Nigeria (Bistum Makurdi).
Seit 2009 breitet sich die Gewalt durch Terrorgruppen wie Boko Haram und die Fulani in vielen Teilen Nigerias aus. Millionen Menschen mussten fliehen, Tausende leben in Lagern. Warum gibt es so viel Fulani-Gewalt im Bundesstaat Benue?
Was als „Fulani-Gewalt“ bezeichnet wird, sollte „Fulani-Terroranschläge auf Dörfer von Unschuldigen“ genannt werden. Einige sagen, sie würden aus religiösen Gründen handeln, andere sagen, sie seien wegen des Klimawandels ins Benue-Tal gekommen. Dies stimmt aber nicht, denn den Klimawandel gibt es überall und die Menschen bringen sich nicht überall gegenseitig um. Wir gehen davon aus, dass Terroristen die Fulani-Hirten benutzen, um die örtliche Bevölkerung zu verdrängen.

 

Der Bundesstaat Benue gilt als der „Lebensmittelkorb Nigerias“, denn er ist landwirtschaftlich produktivste Region, die auch die Bevölkerung Nigerias und anderer Länder versorgt. Die Ernten ernähren die Familien der Landwirte, und mit dem Verkauf der Erzeugnisse können Arztkosten, Schulgebühren und andere lebenswichtige Dinge bezahlt werden.

Flüchtlingslager in Guma im Südosten Nigerias.
Doch der Terrorismus raubt den Menschen diesen Reichtum: Die Einwohner müssen nun betteln, während sie früher nie betteln mussten. Die Bauern in Benue sind sehr stolz darauf, dass sie schon immer das Land bewirtschaftet und sich ohne fremde Hilfe ernährt haben.

 

„Die Menschen müssen betteln”

Jetzt sind sie von nicht staatlichen Organisationen und in einigen Fällen von Einzelpersonen abhängig, die ihnen Lebensmittel und einen Platz zum Leben geben. Sie können nicht in ihre Dörfer zurückkehren, um das Land zu bewirtschaften, denn wenn sie es versuchen, werden sie von Terroristen getötet.

Die Banditen zerstören also nicht nur Ernten und töten Menschen – vor allem Jungen –, sondern besetzen auch Land, sodass die Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können, was zu Hunger und Not führt.

Die durch einen Anschlag zerstörte St.-Rita-Kirche im Erzbistum Kaduna (Nigeria).
Wie kümmert sich die Diözese Makurdi um die vertriebenen Menschen in den Lagern?
Geistige Nahrung ist wichtig, aber wir versuchen, uns zuerst um Grundbedürfnisse zu kümmern. Die Menschen sind in großer Not: Sie brauchen Hygienemittel, Lebensmittel, Bildung und psychologische Hilfe. Viele von ihnen schicken wegen der Gewalt ihre Kinder nicht mehr zur Schule.

 

Viele Kinder gehen nicht mehr in die Schule

Wir versuchen daher, in den Lagern Bildung zu vermitteln. Die Kirche ermöglicht es ihnen, die städtischen Schulen sicher zu besuchen. Wir bringen ihnen auch unternehmerische Fähigkeiten bei, damit sie, wenn sie die Schule verlassen, etwas haben, auf das sie zurückgreifen können.

Einige Lagerbewohner wurden bereits mehrfach vertrieben, andere haben miterlebt, wie ihre Angehörigen getötet wurden. Wir haben Mitarbeiter, die psychosoziale Hilfe anbieten, damit diese Menschen mit ihrem Trauma fertig werden, aber auch geistliche Hilfe. Der christliche Glaube hilft den Menschen. Wenn sie ihn nicht hätten, hätten sicher viele Menschen zu den Waffen gegriffen.

Demonstration in Nigeria für mehr Sicherheit (Bild aus dem Jahr 2020).

Was unternimmt die Regierung, um die Situation zu verbessern?
Wir beten dafür, dass Gott uns unparteiische Führungskräfte schenkt, die den aus ihren Dörfern Vertriebenen helfen, zurückzukehren und ihr Leben fortzusetzen. Alles deutet darauf hin, dass unsere derzeitigen Politiker ihrer Notlage gegenüber gleichgültig sind, weil diese Menschen nicht ihre Sprache sprechen oder denselben Glauben haben, wie sie. Es ist, als ob sie minderwertige Menschen wären und es die Regierenden daher nichts anginge, was mit ihnen geschieht.

 

„Unser Volk wird jeden Tag massakriert”

Unser Volk wird jeden Tag massakriert, und unser Präsident kommt nicht zu uns. Wenn unser Gouverneur darüber sprechen will, lässt der Präsident ihn mit der Begründung abblitzen, es handele sich um ein uraltes Problem. Wir fragen ihn: Warum lassen Sie zu, dass Ihre Bürger getötet werden?

In Nigeria werden Menschen, die sagen, dass Ungerechtigkeit bekämpft werden muss, zur Zielscheibe. Ich bin ein katholischer Priester; wenn sie mich töten, töten sie einen Menschen. Wenn sie mich angreifen, greifen sie einen Menschen an. Aber die Wahrheit muss gesagt werden.

Straßenszene in Nigeria.
Was sind die größten Bedürfnisse der Diözese bei der Betreuung dieser Vertriebenen?
Zum einen hoffen wir, dass wir die Finanzierung eines Traumatherapiezentrums für Menschen, die schwere Krisen erlitten haben, sicherstellen können. Außerdem brauchen wir eine Gesundheitsversorgung für sie und angemessene Einrichtungen für ihre Pflege. Wir wollen auch den Unterricht für die vertriebenen Kinder sicherstellen. Der Bischof hat bereits mit dieser Arbeit begonnen.

 

„KIRCHE IN NOT ist ein Geschenk des Himmels für die Diözese”

Was ist Ihre Botschaft an die Wohltäter von KIRCHE IN NOT?
KIRCHE IN NOT ist ein Geschenk des Himmels für die Diözese Makurdi. Das Hilfswerk hat unsere Botschaft in die Welt getragen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen allen für die Arbeit zu danken, die Sie leisten. Wir beten für Sie, für Ihre Anliegen und dass Sie sich weiterhin für uns einsetzen werden. Wir beten dafür, dass diese Zusammenarbeit Früchte trägt und die Situation unserer Brüder und Schwestern verbessert. Wir danken Ihnen – Gott segne Sie.

Unterstützen Sie die Arbeit der Kirche in Nigeria und ihren Einsatz für die Betroffenen von Gewalt und Terror mit Ihrer Spende – online oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Nigeria

Nigeria: Seelsorge unter Lebensgefahr (mit Bischof Wilfred Chikpa Anagbe, Bistum Makurdi/Nigeria)

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