Herr Erzbischof, am 4. August 2020 gab es am Hafen eine gewaltige Explosion. Wo befanden Sie sich zum Zeitpunkt der Explosion?
Ich war in meinem Büro. Ich hörte den Lärm nicht, aber ich spürte die Druckwelle, die Welle heißer Luft, die durch das zerbrochene Fenster hineinkam. Ich sah all das Glas um mich herum. Mein Schreibtisch und der Fußboden meines Büros waren mit Glasscherben bedeckt. Die Tür war herausgedrückt worden. Das ganze Büro war stark beschädigt: keine Türen mehr, keine Fenster, nichts. Alles kam herunter.
Die schlimmsten Schäden traten im christlichen Stadtteil auf. Warum wurde es besonders stark getroffen?
Weil die Christen in dem Viertel wohnen, das am nächsten am Hafen liegt. Sie kamen in der Vergangenheit aus den Bergen und ließen sich rings um den Hafen nieder, um dort zu arbeiten. Daher ist das Gebiet überwiegend von Christen bewohnt.
Die Menschen stellen sich die Frage: Warum ist das alles geschehen? Man konnte so etwas wie Wut wahrnehmen – keinen Hass, aber Wut, warum so etwas passiert ist. Jetzt sind die Leute dankbar, weil ihnen andere Menschen geholfen haben, in ihre Häuser zurückzukehren.
Aber sie stellen sich weiterhin die Frage: Warum? Wer hat das getan? Wir wollen die Wahrheit wissen, besonders diejenigen, die ihre Angehörigen verloren haben, die getötet wurden oder vermisst werden.
Wir bemühen uns, ihre beschädigten Häuser wiederherzustellen, und versuchen, sie mit Lebensmitteln zu versorgen, wenn es notwendig ist. Wir besuchen die Leute, die von der Explosion betroffen sind, um sie zu ermutigen. Sie möchten in ihren Häusern bleiben.
Wenn der Libanon das nun verliert, bedeutet das, dass der Fanatismus in dem Gebiet zunehmen wird. Und wenn es Fanatismus gibt, gibt es Zerstörung, weil die Menschen nicht die Person vor sich sehen werden. Bislang konnten Menschen, die in Freiheit leben wollten, immer in den Libanon kommen und diese Freiheit erfahren.
Traurigerweise glaube ich, dass die internationale Gemeinschaft den wahren Wert des Libanon nicht zu schätzen weiß. So etwas ist im Nahen Osten nur selten. Dies muss von der internationalen Gemeinschaft bewahrt werden.
Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende – schnell und einfach online!