Es war eine Geste voller Symbolkraft, als Papst Johannes Paul II. seinem Freund Pater Werenfried die Osterkerze aus seiner Privatkapelle schenkte. Zum letzten Mal hatten sie gemeinsam die heilige Messe gefeiert. Niemand hat diese letzte irdische Begegnung so schön beschrieben wie der 2007 verstorbene italienische Journalist Orazio Petrosillo, der diese Momente miterleben durfte.
Er berichtet: „Sie waren zu Tränen gerührt. Wie oft hatten sie aneinander gedacht, füreinander gebetet? Jetzt sahen sie sich wieder, der Heilige Vater und sein Freund Pater Werenfried. Beide gezeichnet von Alter und Krankheit, und dennoch voll Leben und Charisma. Nach der Messe umarmten sie sich in der Privatbibliothek. Wenige Worte, lange Blicke, Tränen der Rührung.“
Sie kannten sich schon lange, bevor Karol Wojtyla 1964 Erzbischof von Krakau wurde. Der spätere Papst kam lange Jahre als Beauftragter der polnischen Bischofskonferenz zu Pater Werenfried, um über Hilfsprojekte für die Kirche in seiner kommunistisch regierten Heimat zu sprechen.
Um den Atheismus zu fördern, wurde hier absichtlich keine Kirche eingeplant. Allen Widerständen zum Trotz wurde dennoch Sonntag für Sonntag mit Tausenden Gläubigen die heilige Messe rings um ein unter freiem Himmel aufgestelltes Kreuz gefeiert.
Trotz aller Schikanen seitens der Kommunisten wurde schließlich mit der Hilfe von KIRCHE IN NOT ein Gotteshaus für 5000 Gläubige gebaut. 1977 konnte die Kirche von Erzbischof Wojtyla eingeweiht werden. Dieser gemeinsame Sieg gegen die Regierung war auch für die Kirche in den ebenfalls kommunistisch regierten Nachbarländern ein großes Zeichen der Ermutigung.
Beide glaubten fest daran, dass der Eiserne Vorhang eines Tages fallen und Gott in die atheistisch regierten Länder zurückkehren würde. Beide geißelten den Kommunismus im Osten ebenso wie die „Kultur des Todes“ im Westen. Beide waren kompromisslos und furchtlos darin, die Wahrheit beim Namen zu nennen und die zahlreichen Angriffe gegen Gott und den Menschen in letzter Konsequenz als Werk des Bösen zu erkennen.
„Politische Korrektheit“ und die Meinung des Mainstreams waren nicht ihr Maßstab. Auch in ihrem Streben nach Versöhnung waren sie prophetische Verbündete.
So beauftragte Papst Johannes Paul II. Pater Werenfried damit, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Versöhnung mit der russisch-orthodoxen Kirche zu suchen. Daraufhin reiste Pater Werenfried noch im fortgeschrittenen Alter zweimal nach Russland und begegnete Patriarch Aleksij II. und zahlreichen orthodoxen Bischöfen, denen er sein Gebet und seine tätige Hilfe versprach.
Nachdem sie Mitte der 1960er-Jahre in das Marienheiligtum von Fatima gelangt war, wurde sie Papst Johannes Paul II. im Jahr 1993 als Geschenk überreicht. Der Papst bewahrte sie in seinen Privatgemächern auf und verehrte sie zutiefst.
Sowohl Johannes Paul II. als auch Pater Werenfried waren zutiefst mit dem Marienheiligtum in Fatima verbunden, wo die Ikone der Muttergottes von Kasan 30 Jahre lang Asyl gefunden hatte. Sie sahen in den Botschaften, die die Muttergottes 1917 an drei Hirtenkinder gerichtet hatte, eine wichtige Warnung vor den Gefahren des Kommunismus und des Atheismus, denen es zu begegnen galt.
Die abendliche Lichterprozession, bei der er unmittelbar hinter dem Gnadenbild im Rollstuhl durch die Menge von einer Million Pilger geschoben wurde, gehörte für Pater Werenfried zu den Höhepunkten seines Lebens.
Ihr Vermächtnis ist gigantisch. KIRCHE IN NOT ist diesem Erbe bis heute verpflichtet. Orazio Petrosillo berichtete von ihrem Abschied: „Johannes Paul II. legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. Es war seine Geste als Nachfolger Petri, um ein Werk der Vorsehung wie KIRCHE IN NOT mit dem ureigenen Charisma des Papstes gleichsam zu bestätigen.“
Eva-Maria Kolmann, KIRCHE IN NOT
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“Auf den Tag X hinarbeiten” – Volker Niggewöhner im Gespräch mit Antonia Willemsen über Pater Werenfrieds Wirken hinter dem Eisernen Vorhang
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