In einer gemeinsamen Erklärung fordern die katholischen, orthodoxen und evangelischen Bischöfe und Geistlichen den Staat Israel auf, „solche einseitigen Schritte zu unterlassen“. An die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO richteten sie den Appell, „interne Streitigkeiten und Konflikte“ beizulegen und am „Frieden und Aufbau eines lebensfähigen Staates“ mitzuwirken.
Christophe Lafontaine von KIRCHE IN NOT International sprach mit dem Generalvikar des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Weihbischof Giacinto-Boulos Marcuzzo, über Hintergründe und Auswirkungen der Annexionspläne auf die christliche Minderheit im Heiligen Land.
WEIHBISCHOF GIACINTO-BOULOS MARCUZZO: Die Bildung und der Amtsantritt der „Einheits- und Notstandsregierung“ wurden durch die vielen Nöte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beschleunigt. Das ist klar.
Allerdings ist der Zusammenhang „Pandemie ist gleich Beschleunigung der Annexions-Pläne für Teile des Westjordanlandes“ überhaupt nicht klar. Wir wissen jedoch aus Erfahrung, das jede gute oder schlechte Gelegenheit häufig ausgenutzt wird, um Partikularinteressen zu erreichen und die Weltaufmerksamkeit von anderen wichtigen Fragen abzulenken.
Was diese Verzweiflung noch schmerzlicher macht, ist die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, die Schwäche Europas und auch die Gleichgültigkeit bestimmter arabischer Länder diesen eklatanten Ungerechtigkeiten gegenüber.
Man muss sich das vor Augen führen: Das gesamte Jordantal plus hunderte von Siedlungen, die über palästinensische Gebiete verteilt sind, könnten von Israel annektiert werden – zusammen mit dem gesamten Straßennetz, das diese Gebiete verbindet.
Dann kann man sich leicht vorstellen, dass sich daraus keine oder nur erschwerte territoriale Kontinuität der palästinensischen Gebiete ergeben wird.
Daraus ergeben sich viele rechtliche und vor allem praktische Probleme: etwa die Frage möglicher Enteignungen, die Trennmauer, die Unmöglichkeit, ohne Genehmigung das eigene Lande zu bearbeiten und natürlich die Schwierigkeiten, im Alltag zu einem Krankenhaus, zur Kirche, auf den Markt oder zu Familienmitglieder zu fahren.
Darüber hinaus fallen die Annexionspläne in eine sehr schwierige Zeit. Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass Pilgerfahrten ausbleiben. Die Wirtschaft im Heiligen Land leidet schwer darunter.
Die christliche Gemeinschaft im In- und Ausland hat in dieser Zeit eine beeindruckende Solidarität gezeigt – aber das war nur für kurze Zeit und in diesem speziellen Fall. Aber was können wir jetzt den territorialen Umwälzungen mit ihren sozialen, wirtschaftlichen und familiären Auswirkungen entgegensetzen?
In unserer gemeinsamen Erklärung rufen wir die Bürger auf, ihre Rechte standhaft einzufordern, aber auf jede Provokation zu verzichten, die zu blutigen oder tödlichen Zusammenstöße führen könnte. Die Arbeit der Kirche im Heiligen Land hat im Laufe der Geschichte zwei Ziele verfolgt und tut es noch immer: Gerechtigkeit als Basis, Frieden und Versöhnung als Ziel.
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