„Wir haben immer Angst. Was auch immer um uns herum geschieht, im Libanon, im Gazastreifen oder anderswo, die Christen sind immer betroffen“, betonte Semaan. Die aktuellen Konflikte im Nahen Osten machten den Christen einmal mehr bewusst, „dass sie in solchen Situationen oft zur Zielscheibe von Fundamentalisten oder zu Kollateralzielen in den Kriegen anderer werden“, ergänzte Warda. „Die Spannungen zwischen bestimmten Gruppierungen und Parteien sind hoch, sehr hoch.“ Die Christen würden diese Situation beobachten und sich auf eine mögliche Eskalation vorbereiten.
„Das Problem im Irak ist, dass hier viele Menschen versuchen, isolierte ,Inseln’ für jede Gemeinschaft zu schaffen, ohne ein gemeinsames Leben“, sagte der Erzbischof von Adiabene. Das sei gefährlich. „Man kann leben, wo man will und stolz auf die eigene Identität sein, aber man darf sich nicht vor den anderen Mitbürgern verschließen.“
Um die diese Mentalität zu überwinden, seien zwei Dinge nötig, betonten die beiden Geistlichen: Konzentration auf Bildung, zum Beispiel mit katholischen Schulen und Universitäten, und „Druck auf die Regierung, damit sie ein gemäßigtes Bildungssystem fördert“, wie Erzbischof Semaan erläuterte.
Als Beispiel nannte Warda die sogenannten „Papst-Franziskus-Stipendien“ für mittellose Studenten an der Katholischen Universität von Erbil, die „Kirche in Not“ nach dem militärischen Sieg über den IS maßgeblich mitfinanziert hat. „Wir haben gefragt, ob wir Jesiden und Muslime, die dringend Hilfe benötigen, miteinbeziehen können. Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zur friedlichen Koexistenz. Deshalb haben wir in Zusammenarbeit mit KIRCHE IN NOT so viel in diesen Bereich investiert.“
Rund die Hälfte der aktuell etwa 300 Studenten an der Katholischen Universität von Erbil erhält ein Stipendium. KIRCHE IN NOT unterstützt darüber hinaus weitere katholische Bildungseinrichtungen im Irak.
Die Zahl der Christen im Irak hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv dezimiert: Lag ihre Zahl 2003 noch bei rund 1,5 Millionen, sind es heute schätzungsweise noch deutlich weniger als 250 000.
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