„Dalits dürfen vieles nicht berühren, nicht berührt werden und ihre Habseligkeiten nicht überall hinstellen“, sagt Pater John. Seinen richtigen Namen will er nicht gedruckt lesen. Es würde seine Mission unter den Dalits, den „Unberührbaren“, gefährden.
Seit vielen Jahren steht Pater John an der Seite der Dalits im nordindischen Bundesstaat Bihar: fast doppelt so groß wie Niedersachsen, mit über 13-mal so vielen Einwohnern, nämlich 104 Millionen – und einer sozialen Entwicklung, die Bihar an der Grenze zu Bangladesch zum ärmsten Staat im ohnehin armen Indien macht.
Alle Menschen kämpfen hier ums Überleben, die Dalits aber noch mehr. Sie leben am Rand der Gesellschaft, gefangen in religiösen und sozialen Regeln. Pater John erzählt ein Beispiel: „Ich war im Haus eines Dalits zu Gast. Ich habe mein Glas in der Nähe der Feuerstelle abgestellt, die als besonders heilig gilt. Das war ein großes Drama.“ Für den Hausherrn war dies ein Vergehen, dass „unrein“ macht. Die Dalits sind so sehr in diesem System eingezwängt, dass sie es selbst glauben: Jede Regelübertretung bringt Unheil. Für die Umwelt – und sich selbst.
Auch Bita war früher davon überzeugt: „Ich hatte immer Angst und fürchtete böse Geister.“ Es war eine Mythenwelt, die sie immer mehr bedrängte: „Schließlich hatte ich sogar Angst davor, am Morgen aufzustehen. Ich wurde krank.“
Die Wende kam, als sie eine Christin kennenlernte, die ihr die Bibel näherbrachte. Die Botschaft von einem Gott, der sich besonders der ärmsten und niedrigsten Menschen zuwendet, sprengt alles, was sich die Dalits vorstellen können. Langsam begann sich die unbekannte Lehre auch in Bita zu entfalten. „Die Einladung, dass Gott gerade mich in seine Gemeinschaft ruft, hat mein Leben verändert“, sagt Bita. Sie ließ sich taufen. Auch ihr Mann fand durch sie zum christlichen Glauben.
Doch die Probleme wurden damit nicht weniger. Wer Bita besucht, kann die Beklemmung spüren, die in der Luft liegt. Sie lebt unter den misstrauischen Blicken der Nachbarn. Die sind mehrheitlich Hindus, ein paar wenige Moslems.
Dass Bita und eine Handvoll weiterer Dorfbewohner jetzt katholische Christen sind, beobachten sie mit Argwohn. „Ich fürchte, sie sind auch ein wenig neidisch, dass ich jetzt Teil einer Gemeinschaft bin, die zu mir steht, dass ich mich jetzt endlich wieder besser fühle, seit ich in die Kirche gehe.“
Die Zahl der Christen im Bundesstaat Bihar liegt unter 0,4 Prozent. Dennoch gelten sie manchen Einwohnern als Bedrohung: Einzelne Nachbarn versuchen, Bita von ihrem neuen Glauben abzubringen, spotten, schimpfen und drohen. Hinzu kommt, dass in der Region wie überall im Land die hindu-nationalistische Partei BJP Zulauf hat. Im Regionalparlament ist sie drittstärkste Kraft, auf nationaler Ebene stellt sie seit 1998 mit zehnjähriger Unterbrechung den Ministerpräsidenten.
Anhänger der Partei werden für Ausschreitungen gegenüber Christen und anderen religiösen Minderheiten verantwortlich gemacht. Die Nationalisten sehen in den Minderheiten eine Gefahr für die Einheit Indiens. Antichristliche Attacken nehmen zu: 740 Übergriffe wurden 2017 gezählt, die meisten von ihnen in Nordindien – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
Und dennoch: Bita und ihr Mann stehen zu ihrem Glauben. „Wir leben mit mehr Freude. Wir haben wieder Hoffnung. Und wir haben auch neue Arbeit gefunden, in der wir besser bezahlt werden.“
Die Begegnung mit der christlichen Botschaft hat ihr Leben verändert. Auf die Frage, welche Stelle in der Bibel ihr besonders gefällt, denkt Bita kurz nach: „Jesus sagt: ,Liebe Deinen Nächsten.ʼ Das gibt mir Tag für Tag Kraft.“
KIRCHE IN NOT steht der kleinen und in manchen Regionen bedrängten christlichen Minderheit Indiens zur Seite. Die meisten geförderten Projekte des Hilfswerks entfallen auf den Subkontinent.
Dazu zählen die Ausbildung von Priestern, die Arbeit von Ordensgemeinschaften, der Lebensunterhalt für Seelsorger durch Mess-Stipendien und die Schulung von Katecheten. Außerdem fördern wir den Bau von Kirchen, die Bereitstellung von Fahrzeugen für die Seelsorge in entlegenen Gebieten und die „Kleinen christlichen Gemeinschaften“, die für die pastorale und karitative Arbeit der Kirche in Indien von Bedeutung sind.
Um die christliche Minderheit Indiens weiterhin unterstützen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden.
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