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Burkina Faso: „Wir kennen unsere Feinde nicht“

Burkina Faso: „Wir kennen unsere Feinde nicht“

13.03.2020 aktuelles
Immer mehr Christen werden in Burkina Faso Opfer von Verfolgung. Ein Delegation des internationalen päpstlichen Hilfswerks KIRCHE IN NOT reiste kürzlich zu einem Solidaritätsbesuch in das Land. Teil der Delegation war auch Oliver Maksan, Chefredakteur der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“.

Er sprach mit Pierre Claver Belemsigri, den Generalsekretär der Bischofskonferenz von Burkina Faso-Niger über das Miteinander der Religionen, Islamismus und die Reaktion der Kirche auf den Terror.

Pierre Claver Belemsigri, den Generalsekretär der Bischofskonferenz von Burkina Faso-Niger © KIRCHE IN NOT
Oliver Maksan: Burkina Faso war immer stolz auf das harmonische Zusammenleben von Muslimen und Christen. Doch viele Menschen klagen, dass der heutige Islam nicht mehr viel mit dem Islam ihrer Kindheit zu tun habe. Sehen Sie das auch so?

Pierre Claver Belemsigri: Es gibt seit etwa 20, 30 Jahren einen Wandel. Das hat damit zu tun, dass seit einigen Jahren bestimmte Strömungen des Islam von der Arabischen Halbinsel bei uns Fuß fassen. Die jüngeren Menschen arbeiten oder studieren dort und bringen eine bestimmte Vision vom Islam mit, die Auswirkungen auf das Zusammenleben und die Koexistenz der verschiedenen Religionen haben könnte.

 

Dennoch ist Burkina Faso trotz einer islamischen Mehrheit, die zwischen vierundfünfzig und sechzig Prozent liegt, kein islamischer Staat.
Wir sind ein laizistischer Staat. Es gibt eine Trennung von Religion und Staat. Das war eine politische Entscheidung, die wir gefällt haben. Der Staat arbeitet dennoch mit den Religionsgemeinschaften zusammen. Wir stehen im Dialog mit staatlichen Stellen.

Pierre Claver Belemsigri im Gespräch mit muslimischen Vertretern. © KIRCHE IN NOT
Geht der Dialog zwischen Muslimen und Christen dennoch weiter?
Ja, Gott sei Dank. Wir haben im Land eine lange Tradition des interreligiösen Dialogs. In der Provinz Soum, die jetzt so von den Terroristen heimgesucht wird, haben wir beispielsweise die Einrichtung „Union fraternelle des croyants“ (UFC, Brüderliche Union der Gläubigen). Hier treffen sich Muslime, Katholiken, freikirchliche Protestanten und Angehörige der traditionellen Religionen, um über das Zusammenleben und den Aufbau der Gesellschaft zu diskutieren. Man besucht sich gegenseitig. An Weihnachten etwa besucht der Imam die heilige Messe und wünscht den Katholiken frohe Weihnachten.

Und im Ramadan gehen Bischof oder Priester in die Moscheen, um Glückwünsche zu den Festen zu überbringen. Die Aktionen der UFC konzentrieren sich auch auf den Zusammenhalt der Religionen, um gemeinschaftlich die Region voranzubringen.

 

Es heißt oft, die Dschihadisten würden den Islam nur instrumentalisieren. Eigentlich gehe es ihnen um etwas anderes als Religion. Wie sehen Sie das?
Es gibt beides. Es gibt Terroristen, einheimische wie fremde, die tatsächlich mit der Waffe in der Hand wollen, das ganz Afrika islamisch wird, die wollen, dass in Burkina Faso die Scharia eingeführt wird. Wir haben aber auch solche, die den Islam als Vorwand nutzen, um ihre ökonomischen oder kriminellen Interessen durchzusetzen. Das können Sie daran sehen, dass sie auch Muslime töten. Oft hat die Gewalt bei uns im Land auch mit alten Streitereien mit ethnischem Hintergrund oder Streit um Land zu tun. Der Islam ist da nur ein Vorwand, um mit Gewalt materielle oder ökonomische Interessen durchzusetzen.

Christen in Burkina Faso beten den Kreuzweg. © KIRCHE IN NOT
Dutzende Christen wurden in den letzten Jahren getötet. Wer greift sie an? Sind es Dschihadisten oder einfach nur Kriminelle?
Wir wissen oft nicht, wer uns angreift. Wir kennen unseren Feind nicht. Meist bekennt sich niemand zu den Angriffen.

 

Wie reagiert die Kirche auf den Terror?
Wir haben vor, in diesem Jahr ein großes Forum zu organisieren, das sich Fragen von Pastoral und Sicherheit widmet. Das wird Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, wie man als Christ seinen Glauben in dieser neuen Situation der Unsicherheit und der Angriffe auf Gotteshäuser leben kann. Man muss sicher neue Ausdrucksformen für den katholischen Glauben finden. Alle diese Fragen werden sicher im Laufe dieses Forums angesprochen werden.

 

- Pierre Claver Belemsigri
Etwa ein Viertel der Einwohner von Burkina Faso sind Mitglied der katholischen Kirche. Wächst der Glaube in Ihrem Land?
Er wächst. Es gibt nicht nur demografisches Wachstum, sondern auch wirkliche Bekehrungen zum Christentum.

 

Hat das keine Folgen für Konvertiten? In vielen muslimischen Ländern steht darauf die Todesstrafe.
Je nach Milieu kann es sicher Drohungen und soziale Sanktionen geben. Aber das hängt sehr vom Umfeld ab. Ich habe beispielsweise einer Taufe einer ganzen muslimischen Familie beigewohnt. Die Tochter, die bei katholischen Schwestern in die Schule ging, bekehrte sich zuerst. Sie hat dann ihre ganze Familie zum Glauben geführt. Die aktuellen terroristischen Angriffe auf die Christen haben den Glauben unserer Gläubigen zudem gestärkt. Man ist trotz der Gefahr stolz, katholisch zu sein.

In einem Flüchtlingslager im Bistum Ouagadougou. © KIRCHE IN NOT
Angesichts des Terrorismus: Was erwarten Sie für Ihr Land?
Der Herr wirkt. Christus lebt. Das hat unser Land in seiner jüngeren Geschichte immer wieder erlebt. Das wird auch jetzt hoffentlich angesichts des Terrors so sein. Es muss einen Widerstand des Volkes geben. Waffen alleine genügen nicht. Leider hat noch nicht jeder verstanden, dass unser Land in der Gefahr ist zu verschwinden, wenn wir uns nicht gemeinsam gegen die Terroristen wehren durch Gebet, Einigkeit und Solidarität. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, wenn wir mit dem Terror fertig werden wollen.

Bitte helfen Sie

Um die Arbeit und das Überleben der verfolgten christlichen Gemeinden Burkina Fasos weiterhin unterstützen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden – entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

 

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Burkina Faso

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