Beim Betreten der Apotheke schrie der Besitzer sie an, weil sie ein kurzärmliges T-Shirt und keinen Schleier trug. Er habe gewusst, dass sie Christin sei, erklärte Niveen Sobhy im Gespräch mit KIRCHE IN NOT. Sie habe dem Apotheker entgegnet, dass ihn ihre Bekleidung nichts angehe. Daraufhin habe er sie zwei Mal kräftig ins Gesicht geschlagen.
Auch habe man sie und ihre Familie bei der Polizei schikaniert und unter Druck gesetzt: „Sie ließen mich bis zwei Uhr nachts warten, obwohl mein Kind schwer krank zu Hause lag. Sie weigerten sich zuerst, einen Bericht über den Vorfall zu schreiben. Als ich darauf bestand, Anzeige zu erstatten, drohten sie damit, mich festzunehmen.“ Als der Bericht schließlich fertig war, hätte man ihr nicht ermöglicht, ihn zu lesen, bevor sie ihn unterschrieb.
Solche Übergriffe ereigneten sich gerade in den ländlichen Regionen Ägyptens immer wieder, berichtet der Journalist und Menschenrechtler Kamal Sedra. Nach wie vor würden Christen oft als Bürger zweiter Klasse angesehen. Sie machen weniger als zehn Prozent der über 100 Millionen Einwohner Ägyptens aus.
Die meisten Christen gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an; es gibt auch eine kleine mit Rom unierte koptisch-katholische Kirche. „Die koptischen Christen sind hilflos“, erklärt Sedra gegenüber KIRCHE IN NOT. „Selbst diejenigen, die gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben werden, haben keine Chance.“
Klagen hätten bislang keine Chance gehabt, obwohl die Rechtslage eindeutig sei: „Es hängt von der Stimmung der Behörden und dem politischen Willen ab“, erklärt Sedra. Die Verantwortlichen wollten muslimische Extremisten nicht gegen sich aufbringen; es handle sich schließlich um eine wichtige Wählergruppe.
Deshalb kommt es immer wieder zu Scheinlösungen, wie im Fall der geohrfeigten Niveen Sobhy. Sie war fest entschlossen, den Vorfall diesmal nicht auf sich beruhen zu lassen. Deshalb hatte sie an den Nationalen Frauenrat Ägyptens, den Innenminister und sogar an das Büro von Präsident Abdel Fattah Al-Sisi geschrieben. Dennoch setzten die Behörden die Christin und ihre Familie unter Druck.
„Das war eine typische beschämende Versöhnung“, kommentiert Kamal Sedra. „So wird üblicherweise bei extremistischen Angriffen gehandelt. Eine Frau hat nicht das Recht, sich einer solchen erzwungenen Versöhnung zu verweigern und Nein zu sagen. Es war von vornherein zu erwarten, dass es so ausgehen würde.“
Es gäbe nach wie vor eine Spaltung zwischen den verfassungsmäßig garantierten Rechten und dem gesellschaftlichen Druck, der durch das muslimische Recht entstehe, erklärt Sedra: „In Ägypten ist in der Verfassung zwar festgelegt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber es gibt nach wie vor einen Artikel, der besagt, dass die Scharia Hauptquelle der Gesetzgebung ist.“
Auch wurden nachträglich zahlreiche Kirchenbauten für legitim erklärt, nachdem die Behörden jahrzehntelange keine Baugenehmigungen erteilt hatten. Verantwortliche kritisieren jedoch, dass die Vorschriften für den Bau von Kirchen nach wie vor viel strenger seien als für den Bau von Moscheen.
Dennoch sind Christen nach wie vor Diskriminierungen und Übergriffen ausgesetzt, vor allem in den ländlichen Regionen. Im Fokus der Gewalt stehen christliche Frauen. „Kirche in Not“ hat Fälle dokumentiert, in denen koptische Frauen und Mädchen von radikalen Muslimen verschleppt, zwangsverheiratet und zur Konversion gezwungen wurden.
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