Das Grundgesetz war ein Meilenstein für den demokratischen Neuanfang in Deutschland. In Vergessenheit gerät dabei, dass viele Väter und Mütter des Grundgesetzes sich ausdrücklich zum Christentum bekannten und es zum Maßstab ihres Handelns machten.
Über das christliche Erbe der deutschen Demokratie und die Gefahren für das Grundgesetz sprach Volker Niggewöhner mit dem früheren Bundestagsabgeordneten Norbert Geis (80) aus Aschaffenburg. Er gehörte fast drei Jahrzehnte für die CSU dem Deutschen Bundestag an und war darüber hinaus auch langjähriges Vorstandsmitglied von KIRCHE IN NOT Deutschland.
Was ist von diesem christlichen Geist heute noch übriggeblieben?
Das Grundgesetz hat nach wie vor mit seiner Präambel eine christliche Ausrichtung: „In der Verantwortung vor Gott und den Menschen …“ Nach der Wiedervereinigung wurde eine Verfassungskommission eingerichtet. Da gab es Bestrebungen, die Präambel zu ändern.
Die CDU/CSU-Fraktion, später auch Teile der SPD, haben dagegen erklärt: Nein, die Präambel mit dem Gottesbezug muss bleiben. Sie wurde nicht geändert. Es stellt sich aber die Frage: Wird diese Aussage auch in der praktischen Politik umgesetzt? Ist sie im alltäglichen Leben wiederzuerkennen? Wir werden immer mehr zu einer säkularisierten Gesellschaft, die Gott weit weggerückt hat, obwohl sie eigentlich nach einem Grundgesetz lebt und ihre staatliche Gestaltung hat, in dem Gott eine entscheidende Rolle spielt.
Ein gewaltiger Bruch ist auch in Bezug auf Artikel 6 des Grundgesetzes entstanden: Schutz von Ehe und Familie. Plötzlich ist die Ehe nicht mehr, wie in den vergangenen 2000 Jahren und noch früher, der Zusammenschluss von Mann und Frau auf Lebenszeit. Jetzt auf einmal gibt es die „Ehe für alle“. Das ist nach meiner Auffassung ein Bruch von Artikel 6 und damit des Grundgesetzes.
Während für die Väter und Mütter des Grundgesetzes der Gottesbezug noch selbstverständlich war, ist das auf europäischer Ebene nach langen Debatten gescheitert. Wir stehen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für eine christliche Politik?
Ich würde eher von einer Politik nach christlichen Grundsätzen sprechen. Dafür sehe ich schon eine Chance. Die europäische Kultur ist christlich geprägt, und so ganz kann Europa nicht aus diesem Zusammenhang herausfallen.
Von Theodor Heuss stammt der Satz: „Die europäische Kultur ist auf drei Hügeln gebaut: der Akropolis in Athen, dem Kapitol in Rom und auf Golgota in Jerusalem.“ Wir müssen in Zukunft mehr darauf achten, das alle diese drei Element bewahrt bleiben. Da spielt das Christentum eine entscheidende Rolle.
Deshalb kommt es darauf an, dass genügend Frauen und Männer in die Parlamente kommen, die sich nach diesen Grundsätzen richten. Unsere christlichen Politiker müssen auch das Christentum leben.
Wir müssen versuchen, das christliche Gedankengut in die Gesellschaft durch unser eigenes Leben und Handeln hineinzutragen, damit es auch in Zukunft unsere Kultur prägt. Dafür kann man nur beten.
Hier kann KIRCHE IN NOT eine wichtige Rolle einnehmen, wie auch die anderen katholischen Vereinigungen. Ich erinnere nur daran, welche große Rolle die katholische Arbeiterschaft und katholische Denker bei der Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft gespielt haben.
Ich wünsche mir, dass Vereinigungen wie KIRCHE IN NOT durch ihre tätige Hilfe und ihr Zeugnis weltweit immer mehr in unsere säkularisierte Gesellschaft hineinwirken.
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