„Die Zentralafrikanische Republik ist ein gescheiterter Staat – ohne Armee, Polizei und Rechtssystem“. Dieses Fazit zog Bischof Juan José Aguirre bei einem Vortrag im Rahmen der 37. Ordentlichen Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen Anfang März in Genf. KIRCHE IN NOT hatte den Redeauftritt organisiert.
Der gebürtige Spanier Aguirre leitet seit 17 Jahren die Diözese Bangassou im Süden der Zentralafrikanischen Republik, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Dort leben besonders viele Christen – insgesamt machen sie 50 Prozent der Einwohner der Zentralafrikanischen Republik aus.
Seit 2013 wird das Land von einem Krieg zwischen Regierungstruppen und den islamistischen Séléka-Rebellen und weiteren Gruppen erschüttert. Auch seine Bischofsstadt Bangassou werde seit Monaten von Rebellen angegriffen, berichtete Aguirre.
Eine militärische Reaktion des Staates sei jedoch bislang ausgeblieben. „Ganze Stadtviertel wurden von islamistischen Söldnern niedergebrannt. Beinahe eine Million Vertriebene halten sich in der Demokratischen Republik Kongo auf“, berichtete Aguirre, der dem Orden der Comboni-Missionare angehört und seit 38 Jahren in der Zentralafrikanischen Republik tätig ist.
„Das Bildungssystem funktioniert seit Jahren nicht mehr. Medizinische Versorgung gibt es nicht“, sagte der Bischof. So sei ein Operationssaal in einer Missionsstation im Norden seiner Diözese bis auf die Grundmauern zerstört worden.
Die Kindersterblichkeit habe erheblich zugenommen. In dem von den Vereinten Nationen herausgegebenen „Index der menschlichen Entwicklung“ belegt die Zentralafrikanische Republik den letzten Platz. Auch hinsichtlich der Wirtschaftskraft gilt sie als eines der ärmsten Länder der Welt.
Daher sei es falsch, wenn der seit fünf Jahren andauernde Krieg als „eine religiöse Krise verkauft“ werde, so Aguirre. Vielmehr sei er das Ergebnis eines „ökonomischen Problems, das allerdings religiöse Auswirkungen hat“.
Dabei sei das Land reich an Bodenschätzen wie Gold, Diamanten, Uran und Erdöl. Auch der Handel mit Holz und die Bewirtschaftung von Viehweiden sei Ursache vieler Konflikte. Der Bischof sieht eine „große Manipulation in der Berichterstattung“, hinter der er Interessensgruppen vermutet, die diese Krise ausnutzten.
Alle Medienschaffenden rief er dazu auf, über den „vergessenen Krieg im Herzen Afrikas“ zu informieren: „Nehmt Anteil an diesem vergessenen Krieg!“ Von der Weltgemeinschaft fordert Aguirre, gegen den Waffenhandel vorzugehen.
Außerdem sei es nötig, „mehr Kontrolle und Sicherheit an den Grenzen“ der Zentralafrikanischen Republik zu gewährleisten. Diese würden zurzeit „von allen möglichen Verbrechern und Söldnern überschritten, die das Land ausplündern, zerstören und verwüsten“, so der Bischof.
Davon seien Christen wie Muslime gleichermaßen betroffen. Deshalb macht es Aguirre besondere Sorgen, dass sich die Zusammenarbeit der Religionen derzeit in einer schweren Krise befindet.
Viele christliche und muslimische Führungspersönlichkeiten unternähmen große Anstrengungen, aber „der Hass zwischen muslimischen und nichtmuslimischen Gruppen und die Intoleranz auf beiden Seiten steigen“, sagte Aguirre.
Gleichwohl böten die Priester auf dem Gelände seiner Kathedrale in Bangassou hunderten Muslimen Obdach und Versorgung und verhandelten mit den verschiedenen Milizen – auch wenn sie das selbst in Lebensgefahr bringe. „Wir haben denen, die uns angreifen, die Hand gereicht. So muss die Kirche handeln“, erklärte der Bischof.
Oft sei es aber leider gegenwärtig nur der Tod, der Versöhnung schaffe: „Wir mussten unzählige Menschen begraben, die verschiedenen Religionen angehören. Und so waren es die Massengräber, in denen die Menschen endlich wieder in Frieden zusammenkamen.“
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