Die römische Heilige Agnes ist eine bei vielen Völkern bekannte und beliebte Heilige, die im ersten Hochgebet sogar nach der Wandlung unter den großen Märtyrern der frühen Kirche genannt wird. Weniger bekannt ist dagegen bei uns die heilige Agnes von Prag, die in ihrer Heimat auch Agnes von Böhmen genannt wird und deren Fest wir am 2. März begehen. Am 12. November 1989 wurde sie heiliggesprochen.
In Böhmen und Mähren ist diese Agnes als Agnes von Böhmen wohl bekannt. Auf dem oberen Teil des berühmten Wenzelplatzes in Prag stehen um das Reiterstandbild des Herzogs und ersten böhmischen Heiligen vier weitere Heiligengestalten als die ersten Patrone Böhmens: Adalbert und Prokop sowie die heilige Ludmilla und die zur Zeit der Errichtung des Denkmals noch selige und erst 1989 heiliggesprochene Agnes von Prag.
Dennoch ehrt das Land seine Heiligen. In Deutschland dagegen sind seit Jahrzehnten eine Reihe von gesetzlichen und vom Staat geschützten Feiertage langsam, aber konsequent abgeschafft worden, auch in katholischen Bundesländern wie Bayern: St. Joseph am 19. März, Peter-und-Paul am 29. Juni, Maria Unbefleckte Empfängnis am 8. Dezember, bei den Protestanten auch der Reformationstag und der Buß- und Bettag.
Auch die christlichen Parteien haben dies mit den Kosten begründet! So könnte man ausrufen: Armes Deutschland! Unser Nachbarland Tschechien konnte es sich dagegen leisten, außer dem Festtag der Slawenapostel Cyrill und Method auch einen arbeitsfreien Feiertag zu Ehren von Johannes Hus einzuführen und auch den Tag des heiligen Wenzel zu einem staatlichen Feiertag zu erklären.
Ehemals kommunistische Länder haben sogar Heilige auf Münzen und Geldscheinen: Auf tschechischen und slowakischen Kronen sind der heilige Wenzel und historische Kreuze abgebildet, auf dem slowakischen 50-Kronen-Schein waren bis zur Einführung des Euro Cyrill und Method zu sehen, auf dem slowakischen 100-Kronen-Schein die Madonna von Leutschau und auf der bis vor kurzen gültigen 50-Kronen-Banknote Tschechiens sahen wir die Agnes von Böhmen mit den Zusatz „Heilige Agnes von Böhmen”.
Von Doksany schickte sie ihr mächtiger und politisch ehrgeiziger Vater an den Hof Leopolds von Österreich, damit sie hier an der großen ritterlichen Schule der damaligen Zeit in das vor ihr liegende höfische Leben eingeführt werde. Dort kam sie zum ersten Male mit dem Franziskanertum in Berührung, vielleicht hat auch der Entschluss ihrer Kusine Elisabeth, das franziskanische Tertiarengewand zu nehmen, sie motiviert, ähnliches oder noch mehr zu tun. Auch Elisabeth baute ein Spital in Marburg und pflegte dort selbst die Kranken. Vielleicht gab auch der politische Handel, den ihr Vater als böhmischer König mit ihr treiben wollte, den Ausschlag, die höfische Welt zu verlassen und ein Leben in Armut zu wählen.
Sie lehnte alle Heiratsangebote europäischer Herrscher ab, auch das des Hohenstaufen-Kaiser Friedrich II., nach dem sie schon vorher die Angebote Heinrichs VII. und des Königs von England verschmäht hatte.
In Prag stiftete Agnes ein Spital zu Ehren des heiligen Franz von Assisi. Daraus ging der Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern hervor, der 1237 vom Papst Gregor IX. bestätigt wurde. Diese Gemeinschaft von Brüdern und Priestern, die den Dienst an Armen, Pilgern und Kranken ausübten, wurde später zu einem Ritterorden umgewandelt und besteht noch heute. Bis zur Vertreibung der Sudetendeutschen aus Böhmen und Mähren gab es auch deutsche Mitglieder des Ordens. In Gemeinden des Sudetenlandes wie Eger, Franzensbad, Maria Kulm und Tachau betreuten die Kreuzherren die deutschen Pfarreien.
Die hl. Agnes starb am 2. März 1282 in Prag. In Böhmen wurde sie immer verehrt, aber durch die religiösen Kämpfe in Böhmen wie zum Beispiel in der Hussitenzeit und durch den Dreißigjährigen Krieg, durch die Kräfte des Josephinismus und Liberalismus stockten immer wieder die Bemühungen zu ihrer Kanonisation und kam es erst 1874 zur Seligsprechung und erst am 12. November 1989 zur Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II. in Rom. Viele Tschechen litten unter dieser Jahrhunderte dauernden Verzögerung. „Wenn einmal die selige Agnes heiliggesprochen wird“ bedeutete so viel wie bei uns am St. Nimmerleinstag oder an den griechischen Kalenden.
Noch in der Zeit der kommunistischen Kirchenverfolgung in der Tschechoslowakei hat 1987 der damals bereits 88 Jahre alte Erzbischof von Prag, Kardinal František Tomašek, für die katholische Kirche in Böhmen und Mähren eine Novene von neun Jahren bzw. ein Zehnjahresprogramm der moralischen Erneuerung vorgelegt. Während dieser Zeit, die 1997 mit dem Gedenken an den tausendsten Todestag des heiligen Adalbert von Prag, des ersten Prager Bischofs böhmischer Herkunft, enden sollte, bestimmte der Kardinal Heilige als Patrone der einzelnen Jahre und begann 1988 mit dem Jahr der seligen Agnes von Böhmen. In ihm sollten Fragen der Ehre und des Dienstes am Leben im Mittelpunkt stehen. 1989 war das Jahr zweier deutscher Heiliger, des heiligen Klemens Maria Hofbauer aus Südmähren und des heiligen Nepomuk Neumann aus Südböhmen. Drei Selige dieses Jahrzehntes der geistlichen Erneuerung sind inzwischen heiliggesprochen, als erste die hl. Agnes, 1995 auch Zdislava und Johannes Sarkander.
Im tschechischen Volk war man immer überzeugt, dass nach einer erfolgten Heiligsprechung glückliche Tage für Böhmen anbrechen würden. Und so kam es!
Zum Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils tauschten die polnischen und deutschen Bischöfe ihren Briefwechsel der nationalen Versöhnung aus. In ihrer Grußbotschaft an ihre deutschen Amtsbrüder vom 18. November 1965 hatten alle polnischen Bischöfe, darunter auch der spätere Papst Karol Wojtyla als Erzbischof von Krakau, festgestellt:
„Brücken bauen zwischen Völkern können nur heilige Menschen, nur solche, die eine lautere Meinung und reine Hände besitzen. Sie wollen dem Brudervolk nichts wegnehmen, weder Sprache noch Gebräuche noch Land, noch materielle Güter; im Gegenteil: sie bringen ihm höchst wertvolle Kulturgüter und sie geben ihm gewöhnlich das Wertvollste, was sie besitzen: sich selbst.“
Das gilt auch von der heiligen Agnes von Böhmen. Möge sie Deutsche und Tschechen noch mehr zusammenführen als bisher!
Prof. Dr. Rudolf Grulich (2019)
Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien (Prof. Grulich)
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