Dennoch lässt der Missionar keinen Hass in seinem Herzen aufkommen, wie er im Gespräch mit KIRCHE IN NOT betont. Er fordert mehr Aufmerksamkeit für die Enttäuschung der jungen Bevölkerung der Sahelzone, die sich zunehmend radikalisiert. Das Interview führte André Stiefenhofer von KIRCHE IN NOT Deutschland.
Ein dritter Schwerpunkt ist die Ausbildung junger Menschen, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich.
Ich dachte erst, es sei ein bewaffneter Raubüberfall. Sie feuerten dreimal in die Luft und zogen mich mit sich. Außerhalb des Dorfes standen Motorräder. Die Angreifer haben mir die Augen verbunden und mich auf eines der Motorräder gesetzt. So begann diese lange Reise, von der ich nie gedacht hätte, dass sie länger als zwei Jahre dauern würde.
Welche islamistische Gruppe genau hat Sie entführt?
Zuerst waren es Fulani [radikale Angehörige des Nomndenvolks der Fulani; Anm. d. Red.]. Sie stammten jedoch nicht aus Niger, sondern aus dem benachbarten Burkina Faso. Diese Gruppe hat mich dann quer durch Burkina Faso bis nach Mali verschleppt. Dort wurde ich in die Hände einer anderen Gruppe übergeben. Sie nannte sich „malische Araber” und brachte mich in die Wüste Sahara.
Im letzten Jahr meiner Gefangenschaft wurde ich erneut verlegt und von einer anderen Gruppe in Gewahrsam genommen. Sie firmieren unter dem Namen „Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime” (Dschamāʿat Nusrat al-Islām wa-l-Muslimīn), die unter der Ideologie von al-Qaida vereint sind.
Seit dem Ende von Gaddafi in Libyen strömen Waffen und Söldner in die gesamte Region. Es handelt sich um wütende junge Rekruten. Sie werden mit einer Kalischnikow, einem Motorrad, einem Telefon und der folgenden Ideologie ausgestattet: „Geh und tu etwas Großes für Allah“. Das bringt so viel Terror und Leid hervor.
Ich habe zwei Jahre lang immer auf dem Boden geschlafen, immer im Freien, vom Wind umweht. Ich habe gegessen, was sie mir gaben, und trank Wasser, das nach Benzin schmeckte. Was mich aber am meisten belastet hat: dass ich aus meiner Gemeinschaft und jeglichen Beziehung herausgerissen war und mit niemandem in Kontakt treten konnte.
Mein ständiger Begleiter war das Gebet. Ich habe mir einen kleinen Rosenkranz gemacht, den ich am Handgelenk trug. Darin bestand mein tägliches Gebet in der großen Stille, die ich in dieser großen Wüste erlebte.
Wie sind Sie freigekommen?
Ich weiß, dass es lange und mühsame Verhandlungen gab. Aber die Details kenne ich nicht. Am 5. Oktober hörte ich: In der malischen Hauptstadt Bamako wurden Gefangene freigelassen und wir Geiseln freigekauft. Am nächsten Tag kam ein Auto. Sie verbanden uns die Augen und fuhren mit uns zwei Tage lang durch die Wüste. Am 8. Oktober wurden wir schließlich freigelassen.
Der erste Bischof von Niamey, der Hauptstadt von Niger, hat einmal zu seinen Mitarbeitern gesagt: „Die Pastoral, die ich von euch verlange, ist die ,Pastoral der Matte’. Setzen Sie sich zu den Menschen, lernen Sie die Sprache, hören Sie zu.” Wir brauchen diese „Mattenseelsorge”, die aus Dialog, Geduld und Zuhören besteht. Denn wenn wir die Wunde nicht heilen, wird sie immer weiter mit Gewalt bluten.
Welche Erfahrungen wollen Sie Ihren Mitmenschen vermitteln?
Beginnen wir damit, unsere Worte zu „entwaffnen”. Wenn ich mir heute Sport-, Politik- und Nachrichtensendungen ansehe, wird mir bewusst, wie viele aggressive Wörter wir verwenden. Wenn wir unsere Worte entwaffnen, vermeiden wir eine bewaffnete Reaktion der Hände, und vielleicht wird unser Herz dann Wege der Brüderlichkeit finden können.
Ich danke KIRCHE IN NOT und allen Unterstützern. Ich weiß, dass viele Menschen für meine Freilassung gebetet haben. Beten wir weiterhin für andere Geiseln, damit auch sie die Freude über die Rückkehr zu ihren Familien erleben können.
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