Mitarbeiter des weltweiten päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) haben sich vor Ort ein Bild gemacht und mit mehreren Flüchtlingsfamilien gesprochen. So auch mit der Familie von Lida. Sie hat in Artaschat Zuflucht gefunden, einer Kleinstadt im Dreiländereck zwischen Armenien, der Türkei und Aserbaidschan. Das Stadtzentrum liegt weit entfernt, lange, staubige Schotterstraßen führen durch verlassene Industrieanlagen – Relikte aus sowjetischer Zeit. Am Ende eines dieser Fabrikgrundstücke steht ein verlassen aussehendes Haus. Doch der erste Eindruck trügt.
In der Tür steht Lida, eine Frau mittleren Alters. Sie freut sich über den Besuch, sonst kommt kaum jemand vorbei. Ihre Schwiegertochter Mariam und Enkelin Nané sind bei ihr. „Unser Leben war gut in Bergkarabach“, erinnert sich Lida. Sie hat als Lehrerin gearbeitet. Seit Jahren ist sie verwitwet, zwei Söhne mit Familien lebten bei ihr.
Schließlich hätte sie der Dorfvorsteher informiert, dass sie ihre Heimat verlassen müssen. Zunächst flohen sie in die Stadt Bedsor, wie viele andere Bewohner von Bergkarabach. Doch schon nach einer Woche mussten sie auch dort weg: „Wir sind in Bussen nach Armenien abtransportiert worden. Wir hatten nur einen Koffer dabei.“ Zuerst kamen sie in Artaschat bei Verwandten unter. Aber die Enge sei belastend gewesen, erzählt Lida. „Das war kein Dauerzustand. Seit einem halben Jahr leben wir jetzt hier, in diesem verlassenen Haus.“
Staatliche Hilfe in Höhe von umgerechnet etwa 130 Euro gab es nur vier Monate lang. Familien, die einen Angehörigen im Krieg verloren haben, bekamen eine einmalige Zahlung von rund 18 000 Euro. Glücklicherweise kamen Lidas Söhne unversehrt aus dem Krieg zurück, körperlich zumindest. Ihr Ältester, berichtet Lida, sei jedoch schwer traumatisiert und arbeitsunfähig. „Mein jüngerer Sohn hat jetzt wenigstens ein Job in einer Konservenfabrik gefunden. Aber er wird schlecht bezahlt. Den ersten Lohn hat er erst nach einem halben Jahr bekommen.“ Auch Lida versucht etwas zum Unterhalt der fünfköpfigen Familie beizutragen: Sie gibt Nachhilfeunterricht.
Viele Flüchtlingsfamilien haben ihre Haupternährer verloren, auch wenn sie den Kriegseinsatz überlebt haben: Teilweise sind die Männer in Bergkarabach geblieben, um ihr Eigentum zu schützen oder sie durchlaufen Reha-Maßnahmen nach dem Militäreinsatz. Manche Familienväter sind auch nach Russland gegangen und suchen dort Arbeit.
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