Auch die politische Situation in der benachbarten Kurdenregion im Nordirak und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in ihrer Heimat führten dazu, dass viele Christen „auf gepackten Koffern“ säßen, so Halemba: „Wenn wir diese erste Gruppe der Rückkehrer jetzt nicht tatkräftig unterstützen, werden sie möglicherweise ihre Orte und ihr Land ganz verlassen.“
Einer der ersten Rückkehrer ist der Priester Salar Boudagh Kajo. Er ist Generalvikar des chaldäisch-katholischen Bistums Alkosch und arbeitet im Wiederaufbau-Komitee für die Ninive-Ebene. KIRCHE IN NOT hat es zusammen mit lokalen Vertretern der katholischen und orthodoxen Kirche ins Leben gerufen.
Noch immer fühle er „tiefen Schmerz“, wenn er daran zurückdenke, als er nach drei Jahren der Flucht seine Heimat wieder betrat, sagte Kajo im Gespräch mit KIRCHE IN NOT.
„Ich kam mit einer Gruppe Jugendlicher in Batnaya (25 Kilometer nördlich von Mossul; Anm. d. Red.) an. Ich besuchte als erstes die Kirche und sah, dass alles zerstört war. Bibeln und liturgische Bücher lagen verbrannt auf dem Boden.“ Kurz vor ihrem Rückzug hätten die IS-Kämpfer ihre Wut besonders an den Gotteshäusern ausgelassen, sagte Kajo. Nach der Kirche habe die Gruppe der Rückkehrer die zerstörten Privathäuser in Augenschein genommen: „Aber wir kamen nicht weit, weil das Dorf voller Minen war.“
Wehmütig erinnerte sich der Priester, wieviel Aufwand die Christen in den Jahren zuvor in den Unterhalt ihrer Kirchen und Häuser gesteckt hatten. „Aber ich sagte mir: ,Danke, Herr, wir konnten zwar die Bausubstanz nicht erhalten, dafür aber den Glauben der Menschen.ʼ“ Dieser Glaube habe sich in all den Schwierigkeiten bewährt, als die Christen sich rund drei Jahre in der Autonomen Region Kurdistan mit ihrer Hauptstadt Erbil aufgehalten hätten.
KIRCHE IN NOT hatte dort geholfen, Unterbringung, Versorgung und Schulbildung der Vertriebenen zu organisieren. Diese Unterstützung geht nach wie vor weiter, denn noch immer halten sich Zehntausende geflüchtete Christen im Nordirak auf. Heute zeige sich der Glaube der irakischen Christen vor allem durch Verzeihung und dem Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben, ist der Generalvikar überzeugt.
„Nachdem die Christen wieder in der Ninive-Ebene zurück waren, sind viele zu ihren muslimischen Nachbarn gegangen. Sie sagten ihnen, dass sie sich wünschten, wieder in Frieden mit ihnen zusammenzuleben. Rein menschlich ist das unmöglich, in der Logik des Glaubens schon.“
Wichtig sei, dass jetzt nach und nach alle vertriebenen Christen in ihre Heimat zurückkehren könnten, sonst setze der Exodus sich fort. Denn 2003 lebten noch 1,3 Millionen Christen im Irak. Heute sind es nach Erhebungen von KIRCHE IN NOT noch etwa 250 000.
„Die Kirche ist die einzige Institution, die mit den irakischen Christen und den anderen Minderheiten zusammenarbeitet“, erklärte Kajo. „Die Regierung bietet keinerlei Hilfe an.“ KIRCHE IN NOT stellt deshalb im Rahmen des „Marshall-Plans für die Ninive-Ebene“ aktuell erneut fünf Millionen US-Dollar zur Verfügung. Damit ist der Wiederaufbau von 2000 weiteren Häusern gesichert.
So soll die Zeit überbrückt werden, bis noch mehr Akteure in den Wiederaufbau einstiegen „und endlich die Bedürftigkeit und Bedrohung der christlichen Rückkehrer erkennen“, sagte Nahost-Referent Halemba. Ziel sei es, rund 6000 Häuser wiederaufzubauen.
„Dann wäre zumindest jedes zweite Haus wieder bewohnbar und noch mehr Christen könnten zurückkommen. Andernfalls würde der Rückkehrprozess sich verlangsamen oder ganz stoppen“, erklärte Halemba.
Für Salar Boudagh Kajo gibt es keinen Zweifel, worin der Auftrag für ihn und seine Glaubensgeschwister besteht: „Es ist wichtig, dass weiterhin Christen im Irak leben. Sie haben eine moralische Verantwortung, Frieden zu schließen und die Herzen ihrer Mitbürger zu wandeln. Sie fühlen sich im Nahen Osten als Friedensstifter.“
Um den Wiederaufbau von Kirchen, Häusern, christlichen Ortschaften im Irak weiter voranzubringen und die Versorgung der Vertriebenen aufrechterhalten zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden
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