Christen und Muslime machen jeweils gut die Hälfte der Bevölkerung Bosniens und Herzegowinas aus. Die meisten Christen gehören den orthodoxen Kirchen an; rund 14 Prozent der Einwohner sind katholisch. In jüngster Zeit haben radikale islamische Strömungen im Land Zulauf – verstärkt durch Einflüsse aus dem Ausland.
Deshalb hält der Exodus der katholischen Christen, der mit dem Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 begonnen hat, weiter an. Damals lebten rund eine halbe Millionen Katholiken in Bosnien und Herzegowina – die meisten von ihnen Kroaten. Jeder zweite Katholik wurde vertrieben, berichtet das Erzbistum Vrhbosna.
Die Wunden des Krieges sind auch 23 Jahre nach dem Friedensvertrag von Dayton spürbar, sagt Erzbischof Vinko Kardinal Puljić. Er leitet seit 1990 das Erzbistum Vrhbosna mit Sitz in Sarajewo. Karla Sponar von KIRCHE IN NOT sprach mit ihm über die aktuelle Lage.
KARLA SPONAR: Wie ist die Situation der Katholiken in Bosnien und Herzegowina?VINKO KARDINAL PULJIC: Die meisten Katholiken waren im Zuge des Krieges vertrieben worden. Ihre Häuser wurden vielfach geplündert und zerstört.
Nach dem Krieg erhielten die Vertriebenen weder politische noch finanzielle Unterstützung, die eine Rückkehr möglich gemacht hätte. Die diesbezüglichen Bestimmungen im Abkommen von Dayton wurden nicht umgesetzt. Besonders die Minderheit der katholischen Kroaten waren die Leidtragenden.
Diese Unsicherheit ist bis heute spürbar. Viele Menschen verlassen das Land. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Dazu tragen auch die negativen Botschaften in unseren Medien bei. Sie werden genutzt, um die Atmosphäre weiter zu verschlechtern.
Ja. Das schlimmste ist, dass es keine Gleichberechtigung für Katholiken gibt – vor allem dort, wo sie in der Minderheit sind. Diese fehlende Gleichberechtigung äußert sich politisch, administrativ und vor allem, wenn es um die Arbeitsplätze geht.
Es stellt sich die ernste Frage nach der Zukunft der katholischen Kirche in Bosnien und Herzegowina. Denn wenn die Kroaten nicht mehr da sind, wird es auch keine Katholiken mehr geben – denn die meisten Kroaten sind Katholiken. Auch deshalb ist es wichtig, endlich eine Gleichberechtigung zu schaffen.
Sehen Sie auch positive Signale?Als katholische Kirche in Bosnien und Herzegowina versuchen wir Normalität zu leben. So wollen wir den Menschen Selbstbewusstsein und Hoffnung für die Zukunft vermitteln.
Das geschieht über die pastorale und karitative Arbeit sowie die Schulbildung. Wir müssen hier das „Salz der Erde“ sein – das heißt für die Hoffnung, für Menschenwürde und -rechte einstehen.
Worin sehen Sie den Beitrag der Christen in Bosnien und Herzegowina, um die Kriegsfolgen zu bewältigen?Es geht darum, die Wunden dadurch zu heilen, dass man sich untereinander verzeiht und sich mit Freude der Liebe Gottes anvertraut. Ein wichtiger Stützpunkt sind die Sonntagsgottesdienste und die Wallfahrten, an denen sehr viele Gläubige teilnehmen.
Wir haben zum 100. Jubiläum der Marienerscheinungen in Fatima jede Pfarrei und unser gesamtes Erzbistum der Muttergottes geweiht. Es ist eine große Gnade, aus dem Glauben zu leben!
Ein aktuelles zweiteiliges Fernsehinterview zum Thema „Der Heimat beraubt – Katholiken in Bosnien und Herzegowina“ mit dem Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica, und dem Journalisten und Buchautor Winfried Gburek finden Sie in der Mediathek von KIRCHE IN NOT!
KIRCHE IN NOT steht seit über zehn Jahren den Katholiken Bosniens und Herzegowinas bei.
Die Hilfe umfasst vor allem den Wiederaufbau kriegszerstörter Kirchen, Klöster, Priesterseminare und theologischer Fakultäten. Darüber hinaus unterstützt KIRCHE IN NOT auch die Anschaffung von Fahrzeugen für die Seelsorge, den Aufbau von Pastoralzentren und die Ausbildung von Priestern und Ordensleuten.
Um weiter helfen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden
Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende – schnell und einfach online!