JOHANNES KLAUSA: Der Olympische Geist hat des gespaltene Korea für einen kurzen Moment ein Stück weit zusammengeführt. Sportler aus Nord und Süd liefen unter gemeinsamer Flagge ins Stadion ein.
Es gab sogar eine kurzfristig zusammengestellte gemeinsame Eishockeymannschaft der Damen. Mit 28 Gegentreffern in fünf Spielen hat sie zwar sportlich wenig geglänzt, aber dennoch die internationalen Schlagzeilen erobert. Wenige Monate zuvor hätte man aus Nordkorea eher Raketen als Sportler erwartet.
Das bleibt abzuwarten. Immerhin kam es während der Eröffnungsfeier nicht nur zum vielbeachteten Händedruck zwischen dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in mit der Schwester des nordkoreanischen Diktators, Kim Yo-jong, sondern auch zur Begegnung des Präsidenten mit dem protokollarischen Staatsoberhaupt Nordkoreas, Kim Yong-nam.
Das geschah alles unter den skeptischen Blicken des US-Vizepräsidenten Mike Pence, der solchen versöhnlichen Gesten tunlichst aus dem Weg ging. Das nährt die Sorge, dass die zarte Annäherung durch die US-Regierung wieder zunichtegemacht wird.
Das klingt sehr pessimistisch. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr weiterer Raketentests und angedrohter Gegenreaktionen ein?Es ist leider nicht auszuschließen, dass es mit dem kurzen Intermezzo einer innerkoreanischen Olympia-Romanze sehr schnell wieder vorbei sein könnte. Es ist fraglich, ob es zu einem politischen Dialog oder gar direkten Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea kommen kann.
Die Argumente der Befürworter eines harten Kurses gegenüber dem Norden sind leider nicht von der Hand zu weisen. Dennoch führt meines Erachtens kein Weg am Dialog vorbei, wenn man zu einer echten Veränderung der Lage kommen will. Dazu würde dann auch die Unterzeichnung eines Friedensvertrags gehören, der den Koreakrieg nach 65 Jahren endlich beendet. Denn bisher gibt es ja nur einen Waffenstillstand.
Eine militärische Lösung kann und darf keine ernstgemeinte Option sein. Immense Opferzahlen in Süd- wie Nordkorea wären die Folge.
Ich hoffe, dass zumindest die innerkoreanischen Gesprächskanäle offen bleiben, wenn nach den Paralympics das Olympische Feuer erlischt. Dann hätten die Spiele tatsächlich einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation eröffnet.
Dass das nordkoreanische Regime Anfang der 1950er-Jahre fürchterliche Verbrechen an Christen begangen hat, ist hinreichend belegt. Bekannt sind auch die herzzerreißenden Geschichten von christlichen Nordkoreaflüchtlingen aus jüngerer Zeit.
Was ganz aktuell in Nordkorea vor sich geht, wage ich nicht zu beurteilen. Ich gehe jedoch stark davon aus, dass die seit nunmehr drei Generationen verordnete Staatsideologie und Propaganda den christlichen Glauben weitgehend verdrängt hat. Möglicherweise ist im Geheimen, im engsten Familienkreis, ein Flämmchen des Glaubens weitergereicht worden und hat überlebt.
Nordkorea-Besuchern werden mitunter aber auch Kirchen gezeigt, in denen sogar Gottesdienste gefeiert werden …Pjöngjang wurde einst das „Jerusalem des Ostens“ genannt. Heute gibt es dort nur noch vier offizielle Kirchen, deren Leiter und Besucher sich zuallererst tagtäglich als treue Bürger und Patrioten beweisen müssen. Natürlich können wir nicht in ihre Herzen sehen. Wie könnten wir uns anmaßen, über ihren Glauben zu urteilen?
Einige Mitglieder der offiziellen christlichen Gemeinden in Pjöngjang wurden meines Wissens bereits vor der Teilung Koreas 1945 getauft.
Es war für mich jedes Mal sehr emotional. Ich hatte die Gelegenheit, den selben Ort von „beiden Seiten“ zu besuchen, einmal geführt von einem süd- und das andere Mal von einem nordkoreanischen Soldaten. Es sind sehr sympathische Männer, die sich in vielen Punkten sehr ähnlich waren – bis auf die Uniform.
Die jungen Soldaten, die sich da Tag für Tag an der Grenze gegenüberstehen, sind im Grunde genommen Brüder, die sich nicht mehr kennen und die trainiert wurden, einander zu hassen. Bei meinen Besuchen im Grenzgebiet wird mir das immer wieder schmerzlich bewusst.
Seit Ende 2015 ist KIRCHE IN NOT mit einem Büro in Korea präsent. Wie kommt die Arbeit des Hilfswerks im Land an?Unsere Niederlassung ist sehr jung, aber die Verbindung unseres Hilfswerks zu Korea reicht bis Anfang der 1960er-Jahre zurück.
Der Gründer von KIRCHE IN NOT, Pater Werenfried van Straaten, hat Südkorea mehrmals besucht, als es nach dem Krieg in Trümmern lag. Er sammelte in Europa Spenden, die dem Land und der Kirche hier halfen, wieder auf die Beine zu kommen.
Daran versuche ich die Koreaner zu erinnern. Sie kennen die Erfahrung von Armut, Krieg und Verfolgung aus ihrer Geschichte und können sich deshalb mit der leidenden Kirche der Gegenwart sehr gut identifizieren. Außerdem sind sie zu Recht stolz auf die Entwicklung ihres Landes und darauf, dass sie den Sprung vom Hilfe-Empfänger zum Wohltäter geschafft haben.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?Im vergangenen Jahr habe ich meine persönlichen Eindrücke der Projekte von KIRCHE IN NOT im Irak, Libanon, in Pakistan und Nigeria in den Vordergrund gestellt. Diese Länder, aber natürlich auch die unerträgliche Situation in Syrien, thematisieren wir hier sehr stark.
In dieser Fastenzeit blicken wir besonders nach Indien. Papst Franziskus hat den Gläubigen Koreas aufgetragen, sich insbesondere der Glaubensgeschwister in Asien anzunehmen.
Bei seinem Besuch im Jahr 2014 sagte er: „Genauso wie der Herr seine Herrlichkeit im heroischen Zeugnis der Märtyrer aufleuchten ließ, möchte er seine Herrlichkeit auch in eurem Leben und durch euch aufscheinen lassen, um das Leben dieses weiten Kontinents hell zu machen.“
Bei der Erfüllung dieses päpstlichen Auftrags mitzuwirken, dazu tritt KIRCHE IN NOT in Korea an.
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