Nach Angaben der ARD hatten in Bergkarabach bis vor dem Krieg 145 000 Armenier gelebt. Etwa 100 000 Menschen waren bereits in den vergangenen Wochen angesichts massiven Beschusses geflohen.
Über die aktuelle Lage und die Hintergründe des Konflikts sprach Maria Lozano von KIRCHE IN NOT mit dem römisch-katholischen Priester Bernardo di Nardo. Der gebürtige Argentinier, der aus Sicherheitsgründen sein Gesicht nicht zeigen möchte, arbeitet seit drei Jahren für die kleine katholische Minderheit in Armenien.
Das Abkommen sieht vor, dass Aserbaidschan die eroberten Gebiete in Bergkarabach behalten darf. Was sind die Folgen für die dort lebenden Armenier?
Die Folgen werden sein, dass sie angesichts der Bedrohung eines Völkermords in einem ständigen Klima der Angst leben werden, so dass die meisten Einwohner ihre Heimat verlassen und nach Armenien kommen werden. Das kulturelle und religiöse Erbe ist in Gefahr.
Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs und der Zerstückelung der Sowjetunion wurde der antiarmenische Nationalismus in Aserbaidschan geweckt. In mehreren Städten gab es Pogrome gegen Armenier, zum Beispiel in der Hauptstadt Baku. Angesichts dieser sehr heiklen Situation erklärte sich Bergkarabach für unabhängig. Es kam zum Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien. Armenien siegte, Bergkarabach blieb unabhängig, was aber implizit die Annexion durch Armenien bedeutete.
In Europa wird Armenien immer mit dem Völkermord von 1915 in Verbindung gebracht. Welche Spuren erleben Sie bei Ihrer täglichen Arbeit?
Der Völkermord hat viele Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Die größte davon ist das schreckliche Gefühl der Ungerechtigkeit, eine solche Gräueltat zu erleiden, die auch noch von den Tätern völlig geleugnet wird. Sie zeigt sich in dem ständigen Ruf nach Gerechtigkeit, in den täglichen Gesprächen, in den Gedenkfeiern eines jeden Jahres.
Die Familien nehmen so viele ihrer Verwandten, Freunde oder Bekannten auf, wie sie können, und das verschärft die Not. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit infolge der Corona-Krise, insbesondere wegen der fehlenden Einnahmen durch den Tourismus.
Wie trägt die katholische Kirche in Armenien, obwohl sie sehr klein ist, dazu bei, die Wunden des Krieges zu lindern?
Die Beziehung der (orthodoxen, Anm. d. Red.) armenisch-apostolischen Kirche zur katholischen Kirche ist eine Beziehung des gegenseitigen Respekts und der Zusammenarbeit in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse. Wir helfen den vom Krieg betroffenen Menschen in erster Linie, indem wir die Familien besuchen, mit ihnen beten, sie trösten und ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch materiell beistehen. Wir tun dies durch die „Legio Mariae“ und die „Missionarinnen der Nächstenliebe“, die Schwestern von Mutter Teresa von Kalkutta.
Fühlen sich die Armenier von der internationalen Gemeinschaft vergessen?
Die Armenier fühlen sich von der internationalen Gemeinschaft, die immer mehr an geopolitischen Spielen interessiert ist, vergessen und verraten. Aber ich möchte mit einer Botschaft der Hoffnung schließen: Das armenische Volk ist immer wieder inmitten unbeschreiblicher Katastrophen auferstanden. Jetzt wird es dies wieder tun.
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Armenien
Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende – schnell und einfach online!