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Bosnien und Herzegowina: Die Vergessenen

Bosnien und Herzegowina: Die Vergessenen

25 Jahre nach dem Abkommen von Dayton blutet die katholische Minderheit aus

15.06.2020 aktuelles
Vor 25 Jahren setzte das Abkommen von Dayton einen vorläufigen Schlussstrich unter den über drei Jahre andauernden Krieg in Bosnien und Herzegowina.

 

Vorrangig drei ethnische Gruppen leben in dem Balkan-Land: Bosnier, Serben und Kroaten. Obgleich sie auf dem Papier gleichberechtigt sind, führen interne Spannungen und ausländischer Einfluss zu Ungleichgewicht.

Die muslimischen Bosnier orientieren sich zunehmend an der islamischen Welt; die mehrheitlich orthodoxen Serben suchen oft den Schulterschluss mit Russland, während die katholischen Kroaten, die kleinste der drei ethnischen Gruppen, sich den europäischen Nachbarn zuwenden.

Im Balkankrieg wurde die Kirche und das Pfarrhaus in Stjepan Krst (heute in Bosnien und Herzegowina) zerstört.
Von 1992 bis 1995 wütete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Schätzungen zufolge wurden mindestens 100 000 Menschen getötet und über zwei Millionen Menschen vertrieben.

 

Krieg zwischen 1992 und 1995 forderte über 100 000 Opfer

Obwohl alle Kriegsparteien einen schrecklichen Preis zahlten, gab es eine Gruppe, die am meisten gelitten hat und bis heute leidet: die Minderheit der katholischen Kroaten. Noch heute sind viele kroatische Dörfer, die während des Krieges zerstört wurden, unbewohnt.

Der kroatische Journalist Zvonimir Čilić berichtete KIRCHE IN NOT, dass alleine in seiner Heimatstadt Vitez, rund 80 Kilometer nordwestlich von Sarajewo, über 650 Menschen von bosnischen Muslimen getötet wurden – und all dies innerhalb von nur 316 Tagen. Mehr als 460 Witwen und 600 Waisen und Halbwaisen seien zurückgeblieben.

Blick auf Sarajewo, die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Die Moschee im Vordergrund wurde von der indonesischen Regierung finanziert.
Die Brutalität gegen die katholischen Kroaten beruhte größtenteils auf einer radikalen islamistischen Ideologie, die von ausländischen Söldnern in das Land getragen worden ist. Diese Extremisten leben nach wie vor verborgen in den Außenbezirken der städtischen Ballungsgebiete.

 

Radikale Ideologie von Söldnern ins Land getragen

Auch als die Kroaten nach dem offiziellen Ende des Krieges begannen, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, fielen sie noch Terroranschlägen marodierender islamistischer Extremisten zum Opfer.

„Sieben Menschen aus unserer Gemeinde wurden noch nach 1997 an ihren Arbeitsplätzen umgebracht, alles in der Absicht, die Vertriebenen von der Rückkehr in ihre Heimat abzuhalten”, erklärt Zvonimir Čilić. Bis zum heutigen Tage wurde keiner der Täter vor Gericht gestellt.

Jugendlicher aus Sarajewo bekennt sich zu seinem Glauben (Vjerujem heißt Ich glaube).
Ein weiteres Problem ist die Diskriminierung katholischer Rückkehrer im zivilen und religiösen Leben. Während die islamischen Gemeinden ihren Besitz nach Kriegsende zurückerhalten haben, wurden bis heute zahlreiche kirchliche Besitztümer immer noch nicht ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben.

 

Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat

Auch entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben daran nichts geändert. Das Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat und die hohe Arbeitslosigkeit von teilweise über 50 Prozent sind die maßgeblichen Gründe für eine massive Auswanderung der jungen katholischen Kroaten.

Nach Angaben von Vinko Kardinal Puljić, Erzbischof von Vrhbosna (Sarajewo), verlassen jährlich bis zu 10 000 Katholiken Bosnien und Herzegowina. Die Hauptstadt war vor dem Krieg Heimat von 35 000 Kroaten; heute hat sich diese Zahl halbiert.

Vinko Kardinal Puljic, Erzbischof von Vrhbosna (5. von rechts) mit neu geweihten Priestern in der Kathedrale von Sarajewo.
Auf der anderen Seite ist die Zahl der Zuwanderer aus der Türkei und den Golfstaaten in den vergangenen zehn Jahren rapide gestiegen. Laut eines 2017 erstellten Berichts des Europarates waren in den vergangenen zwanzig Jahren in Bosnien und Herzegowina 245 arabische humanitäre Organisationen tätig.

 

Moscheen von ausländischen Regierungen finanziert

Konservative Glaubensströmungen des sunnitischen Islam, mehrheitlich von Saudi-Arabien unterstützt, wetteifern mit dem schiitischen Islam, der seinen Rückhalt aus dem Iran bekommt.

Sichtbares Zeichen ist die König-Fahd-Moschee in Sarajewo, seit dem Jahr 2000 das zweitgrößte muslimische Gotteshaus auf dem Balkan. Sie wurde mit Spenden und Geldern aus Saudi-Arabien errichtet.

König-Fahd-Moschee in Sarajewo. Sie wurde von der Regierung Saudi-Arabiens finanziert,
Die zunehmende Radikalisierung ruft auch innerhalb der muslimischen Gemeinden Besorgnis hervor. Stipe Odak von der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaften an der belgischen Universität Löwen erklärt, dass sowohl ein organisatorischer als auch ein ideologischer Kampf gegen die „importierten“ radikalen muslimischen Gruppen begonnen hat.

 

Zunehmende Radikalisierung

Sie seien vor die Wahl gestellt worden, sich entweder in die bestehende Organisation der bosnischen islamischen Gemeinschaft zu integrieren oder sich aufzulösen – bisher erfolglos.

Die Idee einer arabischen Hochburg im Westen, die von ausländisch geförderten fundamentalistischen Ideologien vorangetrieben wird, ist besonders besorgniserregend vor dem Hintergrund, dass Bosnien und Herzegowina Mitglied der Europäischen Union werden möchte.

Jugendliche im Jugendpastoralzentrum in Sarajewo, dessen Bau maßgeblich von KIRCHE IN NOT unterstützt wurde.
Es ist eindeutig, dass der Schlüssel zu einer gemeinsamen Zukunft im Dialog liegt, ist Professor Dzemaludin Latic von der Universität für Islamwissenschaften in Sarajewo überzeugt: „Wir müssen über unsere Ängste sprechen. Die katholischen Kroaten müssen die Schmerzen und die Angst der Bosnier verstehen.

 

„Wir müssen über die Ängste sprechen”

Wir Bosnier müssen als Mehrheit die Gefühle der Kroaten nachempfinden, die das Land verlassen. Wir müssen erkennen, was uns erwartet, wenn wir allein bleiben, ohne die Unterstützung der Kroaten für diesen Staat. Was können wir erwarten?“

Eine Frage, auf die auch 25 Jahre nach Kriegsende offen ist.

Papst Franziskus hat das Jugendpastoralzentrum in Sarajewo während seines Besuchs in Bosnien und Herzegowina besucht.
KIRCHE IN NOT steht seit über drei Jahrzehnten den Katholiken in Bosnien und Herzegowina bei. Die Hilfe umfasst vor allem den Wiederaufbau kriegszerstörter Kirchen, Klöster und die Renovierung eines Priesterseminars.

 

Darüber hinaus unterstützt das Hilfswerk auch die Anschaffung von Fahrzeugen für die Seelsorge, den Aufbau von Pastoralzentren, die Ausbildung von Priestern und Ordensleuten und leistet Existenzhilfe für kontemplative Klöster. Auch die kirchliche Jugend- und Medienarbeit gehört zu den Förderprojekten.

Um weiterhin helfen zu könnenbitten wir um Spenden – entweder online oder auf folgendes Konto:
Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München

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BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Bosnien und Herzegowina

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